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Obwohl Hector Berlioz der Bratsche in »Harold en Italie« immerhin eine große Solopartie gönnte, traute er diesem Instrument doch nicht so recht über den Weg. Zumal auch für den Dirigenten Berlioz an der Bratsche sowieso nur Untalentierte saßen: »Die Violaspieler wurden stets aus dem Ausschusse der Violinspieler entnommen. War ein Musiker unfähig, den Violinposten genügend zu bekleiden, so wurde er zur Viola versetzt.« Das Image vom missliebig beäugten und hochgradig verspotteten Streichinstrument hat sich seitdem zwar erheblich gewandelt. Wohl aber nicht in den USA. Denn dort führen sich nach der Erfahrung von Kim Kashkashian die Violinisten immer noch auf wie Könige und Missionare.
In Europa ist sie hingegen voll akzeptiert, hat sich ihr musikalischer Geist und musikantischer Radius längst emanzipiert. Auch deshalb hatte die gebürtige Amerikanerin Kim Kashkashian hier schon früh und speziell in Deutschland ihre künstlerische Wahlheimat gefunden. Dort, wo sie über zehn Jahre gelebt und unterrichtet hat. Und wo sie sich nicht nur einen Preis beim ARD-Musikwettbewerb erspielte, sondern dem Produzenten des Münchner Labels ECM begegnete, der laut Kashkashian ihr Leben verändern sollte: »Manfred Eicher hatte die Radioübertragung eines Konzerts von mir gehört. Darauf lud er mich ein, dieses Programm aufzunehmen. Daraus ist eine Verbindung entstanden, die es mir seitdem ermöglicht hat, unterschiedlichstes Solorepertoire wie auch ungewöhnliche Werke aufzunehmen.« Dazu zählen etwa Werke für Viola und Orchester von Alfred Schnittke und Giya Kancheli. Aber ebenso die Begegnungen mit Jazzmusikern wie Keith Jarrett, mit dem sie Bach einspielte, und dem Saxofonisten Jan Garbarek. Überhaupt führt ihr CD-Katalog fast ausschließlich Kompositionen und Persönlichkeiten, die eines gemeinsam haben und damit die inneren Saiten Kashkashians anschlagen: es ist diese Sehnsucht nach dem Vokalen, dem Liedhaften.
Stets sei es das Singen mit all »den Gesten, Impulsen und Klängen, die ein Bild prägen, das mir weiterhilft, die Menschen und die Welt zu verstehen oder in Einklang zu bringen«. Und dafür hat Kashkashian, die als Kind noch der Klarinette verfallen war, eben in der Viola den idealen Resonanzkörper. »Die Bratsche hat durch die Diskrepanz von Saitenlänge und Klanghöhe eine sonderbare Verletzlichkeit und auf gute Weise eine Unzuverlässigkeit in der Ansprache, die eher menschlich ist!« Mit ihrem hochkonzentrierten, doch fließenden und atmenden Spiel kann Kashkashian sowohl leidenschaftlich große als auch zärtlich kleine Geschichten erzählen. Wie auf dem Album »Asturiana«, für das sie mit ihrem langjährigen Klavierpartner Robert Levin spanische und argentinische Kunstlieder u.a. von Manuel de Falla, Enrique Granados und Carlos Ginastera ausgewählt hat. »Robert ist ein wunderbarer Mensch und Musiker. Seine musikalischen Eigenschaften bilden zu meinen ein Gleichgewicht.« Den klingenden, wunderschön getönten Herbstblättern hört man das in jeder Faser an.
Guido Fischer, 12.07.2014, RONDO Ausgabe 5 / 2007
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