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N° 1353
13. - 24.04.2024

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am 20.04.2024



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Erbost über Bayreuther Glätte und Gemütlichkeit: Frank Castorf

Pasticcio

Bayreuther PR

Nach der großen Geburtstagssause, die man 2013 dem ewigen Hügel-Herrscher Wagner bereitet hatte, war es in Bayreuth lange ziemlich ruhig geblieben. Und auch die diesjährigen Festspiele ließen keine Aufreger vermuten. So kommt das Programm ab dem 25. Juli ausschließlich mit Wiederaufnahmen über die Runden. Erst 2015 versucht sich Katharina Wagner an „Tristan und Isolde“. Und 2016 kommt der zahnlose Bad Boy des Kunstbetriebs Jonathan Meeses mit dem „Parsifal“ daher. 2014 hätte also alles tiefenentspannt und ganz ohne die obligatorischen Eröffnungsgäste wie die Bundeskanzlerin und sogar Thomas Gottschalk über die Bühnen gehen können. Doch bevor in den Redaktionsstuben das ganze große Schnarchen beginnt bzw. Bayreuth 2014 völlig im Sommerloch verschwindet, sind zum Glück noch schnell zwei Protagonisten des Hügel-Betriebs mit Schlagzeilen um die Ecke gekommen. Co-Hausherrin Katharina Wagner hat ihren im nächsten Jahr auslaufenden Vertrag bis 2020 verlängert und wird nach dem Ausscheiden ihrer Schwester Eva Wagner-Pasquier alleinige künstlerische Leiterin sein.
Doch wie harmlos nimmt sich diese Personalie gegen den Wüterich Frank Castorf aus, der kurz vor der Wiederaufnahme seines „Rings“ mächtig über die beiden Chefinnen hergefallen ist und überhaupt eine denkbar schlechte Meinung vom weltweiten Wagner-Zentrum hat. So hat sich der Berliner Volksbühnen-Kommandeur Castorf im Interview mit dem „Spiegel“ nicht nur mächtig darüber aufgeregt, dass die Wagner-Sisters jetzt ein NPD-Plakat aus seiner erfolgreichen, weil heißdiskutierten „Ring“-Inszenierung von 2013 streichen wollten. Auch wurde von den künstlerischen Leiterinnen kurzerhand der Bassbariton Martin Winkler aus dem Ensemble geworfen, der eigentlich den Alberich singen sollte. „Ich merke, dass all die Anarchie, die mein Bühnenbildner Aleksandar Dénic und ich hier vergangenes Jahr reingebracht haben, nicht mehr erwünscht ist“; so Castorf. „Es ist Stadttheater in aller Schönheit entstanden. Furchtbar. Die Stürme haben sich gelegt, die Langweile hat gesiegt.“ Außerdem hätte er auch bei der Wiedereinstudierung des „Rings“ hinter den Kulissen „Angst, Vorsicht, vorauseilenden Gehorsam“ verspürt. „Ich kenne das aus dem Osten. Man legt Wert auf das Prinzip der Hierarchie.“ Mit Äußerungen und Abrechnungen wie diesen schaffte Castorf also noch rechtzeitig, was keiner PR-Abteilung in diesem Jahr gelungen wäre: Bayreuth ist auch 2014 wieder ein Top- und Gesprächsthema.

Guido Fischer



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