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RONDO: Herr Engelbrecht, was bringt einen Starpianisten wie Arcadi Volodos dazu, eigens nach Berlin- Lichterfelde zu kommen, um eine CD aufzunehmen?
Friedemann Engelbrecht: Volodos war schon einmal hier, um ein paar Solostücke für seine Rachmaninow-CD aufzunehmen, allerdings mit einem amerikanischen Team. Und das hat ihm offenbar gefallen, auch weil er für seine Liszt-CD einen unserer Steinway-Flügel im Sinn hatte. Den hatte in der Zwischenzeit allerdings Simon Rattle für die Philharmonie gekauft, doch als Volodos und ich dann dorthin fuhren, um das Instrument auszuprobieren, stellte er fest, dass der Klang doch nicht das war, was er sich für seinen Liszt vorstellte. Zum Glück fand er dann einen anderen unserer Steinways, mit dem er zufrieden war.
RONDO: Machen sich alle Pianisten so viele Gedanken um ihre Aufnahmen?
Engelbrecht: Die großen Pianisten nehmen es eigentlich alle sehr genau, aber die Zeit, die Volodos und seine Plattenfirma für diese Aufnahme angesetzt haben, ist auch für uns außergewöhnlich: Drei Aufnahmesitzungen von je drei Tagen, dazu noch ein Tag Klangeinstellung mit dem Klavierstimmer – das ist heute wohl einmalig. Und Volodos hat in jedem Aufnahmeblock auch nur 20 Minuten Musik eingespielt, obwohl er die Stücke eigentlich in- und auswendig beherrscht.
RONDO: Hört man denn überhaupt noch Unterschiede zwischen den einzelnen Versionen?
Engelbrecht: Bei den ersten Takes dachte ich regelmäßig: Das ist doch schon perfekt, und viele Pianisten würden sich freuen, wenn sie das überhaupt so hinkriegen könnten. Aber dann ist er jedes Mal gekommen, hat sich die Aufnahme angehört und hat uns auf bestimmte Details, auf Bögen und Pausen aufmerksam gemacht. Das schärft dann schon das Ohr, und nach der siebten, achten Version weiß man, was er will und beginnt mitzudenken und mitzufühlen.
RONDO: Besteht nicht die Gefahr, dass bei diesem Prozess eine Aufnahme entsteht, bei der zwar alle Noten stimmen, aber der Schwung verloren geht?
Engelbrecht: Volodos hat immer relativ große Takes genommen – für eine winzige Korrektur hat er oft drei, vier Seiten Anlauf genommen. Und im Wesentlichen hat er sich dann ohnehin für Gesamtfassungen entschieden. Ich hatte sowieso das Gefühl, dass es ihm nie bloß um die Noten, sondern immer auch um den poetischen Gehalt der Musik ging – schon die Stücke, die er ausgewählt hat, sind ja hoch emotional: die „Funerailles“ zum Beispiel oder auch die „Vallée d’Obermann“. Oft sind die Versionen musikalisch ganz unterschiedlich, weil er sich im Verlauf der Aufnahmesitzungen in die Stimmung richtiggehend hineingegraben hat. So leise Töne wie bei diesem Album haben wir noch nie aufgenommen.
RONDO: Und da ist auch kein Verkehrslärm dazwischengekommen?
Engelbrecht: Wir haben mit den Aufnahmen sowieso erst gegen sechs, sieben Uhr abends angefangen. Das ist die Zeit, zu der einer wie Volodos erst anfängt zu leben. Und die Sitzungen haben dann regelmäßig bis drei Uhr morgens gedauert. Da war natürlich absolute Stille. Es gibt einige Pianisten, die so ticken: Martha Argerich hatte auch so einen Biorhythmus.
RONDO: Nehmen Pianisten wie Volodos eigentlich auch Einfl uss auf die Aufnahmetechnik?
Engelbrecht: Natürlich sagt er, welchen Klang er haben will. Am Anfang hat er seine Rachmaninow-CD eingelegt und uns gesagt: Das ist das, was ich haben will. Ein Klang, der alle Details abbildet, aber zugleich die Räumlichkeit eines Konzertsaals hat – und zwar nicht aus der Perspektive des Pianisten, sondern aus der des Zuhörers. Aber für ihn war immer klar, dass das Klavier die primäre Klangquelle ist. Damit die oberen Oktaven so luftig klingen, wie er wollte, hat er den Klavierstimmer getriezt, aber nicht verlangt, dass wir technisch nachhelfen.
RONDO: Ein Technikfreak ist er also nicht?
Engelbrecht: Nicht in dem Sinn, dass er uns vorschreibt, welche Mikrofone wir nehmen sollen. Aber die Aufnahmepausen hat er immer vor seinem Laptop verbracht.
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