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20. - 29.04.2024

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am 27.04.2024



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Jazz-DVDs

Trotz YouTube gibt es noch aufwendige Jazz- Dokumentationen, die feinsinnig bewegende Erkenntnisse zu Tage fördern. Im letzten Jahr feierte RONDO den Film „Jazzlegende Wayne Shorter“ als Meisterwerk dieser Kategorie. Doch der Film war schwer zu bekommen; jetzt ist er unter dem Titel „The Language Of The Unknown“ beim Medien-Riesen ArtHaus Musik erschienen. Das diesjährige Jazz-Video-Ereignis ist die DVD bzw. Blu-ray „Charles Lloyd, Arrows Into Infinity“ (ECM/Universal). Die Frau des 76-jährigen Saxofonisten hat sie zusammen mit Jeffrey Morse realisiert. Eine Zeitreise führt zu Lloyds Anfängen, zu seiner Zeit als Sideman bei Chico Hamilton, zu seinem Massenerfolg als Leader des legendären Quartetts mit Keith Jarrett und Jack DeJohnette. Seine anschließenden Verstrickungen im Drogenkonsum, sein Ausstieg aus der Musikszene und der Rückzug in die Berge von Big Sur, all das wird ausführlich durch zahlreiche Statements von Gefährten und Lloyd selber kommentiert, ebenso wie sein behutsames Comeback und seine Rolle als Guru des aktuellen Jazz.
Von ähnlicher Qualität ist der einfühlsame Film „Als Mensch ein Solist“ über den 71-jährigen Schlagzeuger Günter Baby Sommer von Nanina und Peter Bauer (www.studioklarheit. de). Die Geschichte Sommers ist die Geschichte des freien Jazz in der DDR und seiner beson- Jazz-DVDs Jazz auf dem Schirm Vorgestellt von Thomas Fitterling deren Außenkontakte. Dieses besondere Netzwerk ist auch heute noch lebendig, und so wird hier die Vergangenheit weitgehend mit Filmaufnahmen aus der Gegenwart thematisiert. Einen großen Raum nimmt die Sühne- und Versöhnungsarbeit Sommers in dem von Deutschen 1943 in einem Massaker geschundenen griechischen Dorf Kommeno ein.
Altersweise heiter ist das CD-DVD-Gebinde „The Song Is My Story“ von Abdullah Ibrahim (Intuition/New Arts). Es umfasst die Tonaufnahmen, die der südafrikanische Pianist in Italien zur Feier seines achtzigsten Geburtstages in der Fazioli Concert Hall gelassen solo eingespielt hat, ergänzt um visuelle Konzertausschnitte und gefilmte Erläuterungen Ibrahims zur Entstehungsgeschichte seiner Kompositionen.
Eine reine Konzert-CD-DVD-Box ist „Ahmad Jamal Feat. Yusef Lateef, Live At The Olympia – June 27, 2012“ (Jazz Village/harmonia mundi). Zu perfekt lässigen ostinaten Grooves von Kontrabass, Schlagzeug und Perkussion steuert der Leader spannungsvolle Klavier-Riffs bei. Sinnfällig wird hier, warum Miles Davis diese präzise Relaxtheit so nachhaltig bewunderte. Der tribal anmutende Gastauftritt von Lateef mit Saxofon-, Flöten- und Vokalklängen dagegen bleibt Geschmackssache.
Elf Jahre zuvor war die Sängerin/Pianistin Diana Krall mit einer orchestralen Traumbesetzung am gleichen Ort zu Gast. In der Video- Wiederveröffentlichung des Konzerts im Bluray- Format wird die junge Frau großartig als sophisticated Lady des Swing perfekt in Szene gesetzt („Live In Paris“, Eagle Vision/Universal).
Ein Konzert der Superlative war auch der Heimat-Auftritt der japanischen Pianistin Hiromi 2012. Freude an Höchtsgeschwindigkeits- Power und druckvollen Grooves bordet über. Man muss das Energiebündel am Klavier, den Drummer hinter seiner Monster-Schießbude, den E-Bassist an seinem Sechs-Saiter gesehen haben, um es zu glauben („Move, Live In Tokyo“, Telark/In-akustik).
Klassisch konzertant soll diese Videosession mit der CD-DVD „Jazz & The Philharmonic“ ausklingen (Okeh/Sony). Jazz und Klassik begegnen sich mit den Pianisten Chick Corea, Dave Grusin, Shelly Berg und Elizabeth Joy Roe, den Sängern Bobby McFerrin und Eric Owens sowie dem Trompeter Terence Blanchard bei einem in Miami kongenial gefilmten Konzert der National Young Arts Foundation und des Henry Mancini Institute Orchestra. Ein typisch amerikanisches Großkonzert der erfrischenden Genre-Mischung ist das Ergebnis.

Thomas Fitterling, 15.11.2014, RONDO Ausgabe 6 / 2014



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