Ihre Stimme half Cesaria Evora von der Bühne in einer kleinen Kneipe von Mindelo in die großen Konzertsäle. Als ihr 1987 der Hobbymusiker José da Silva erstmals in einer Kneipe begegnete, beeindruckte ihn ihr Auftritt nicht im Geringsten: Er sah eine Band, die auf billigen elektronischen Instrumenten dudelte und eine Sängerin, die sturzbetrunken ins Mikrofon nuschelte und sich mit dem Saxofonisten zankte.
Doch ein Jahr später hörte er sie in Lissabon in der Kneipe „Chez Bana“ erneut, diesmal mit akustischer Begleitung und nüchtern. Er war so ergriffen, dass er ihr vorschlug, in Paris eine Platte aufzunehmen. „Ich hatte nichts zu verlieren“, blickt Cesaria Evora zurück. „Außerdem wollte ich Paris schon immer mal sehen.“ Also sagte sie zu. Das Album „La diva aux pieds nus“ machte sie zum Star.
Schuhe trägt sie immer noch nicht – aus Überzeugung, während sie dem Alkohol 1994 abschwor. „Ich wurde ohne Schuhe geboren“, meint sie lachend, „und ich werde ohne Schuhe sterben.“ An Sandalen hat sie sich allerdings gewöhnt, „denn in Europa kann es sehr kalt werden.“ Daran ändert auch nichts, dass sie sich jetzt, mit 65 Jahren und nach dem Verkauf von fast fünf Millionen Alben, jeden Schuhmacher leisten könnte. „Auf São Vicente sind der Sand und die Wege so warm, dass ich sie spüren möchte.“
„Mein Afrika, unser Afrika“ lautet der Refrain ihres Songs „Africa Nossa“ auf ihrer aktuellen Platte „Rogamar“, denn Afrika ist die „Wiege der Welt“, ein „fruchtbarer Kontinent“. Er schüttelt die Folgen der Kolonialherrschaft ab – langsam aber stetig. „Selbst wenn wir kein klares Bewusstsein mehr haben, ein Volk von Sklaven zu sein, beruhen unsere Seele, unsere Art zu singen darauf.“
Die einfachen Melodien und die beschwingten Rhythmen der Songs von Cesaria Evora vermitteln ein Lebensgefühl von Offenheit, Sonne und Lebensfreude – das glatte Gegenteil der Schunkel-Seligkeit jener Schlager, die für die Volkstümliche Hitparade konstruiert wurden.
Heimatverbunden ist Cesaria Evora immer noch, denn die Aufnahmen entstanden in ihrem privaten „Studio de la Villa“, das sie in Mindelo aufbaute und in Paris. Für das sambaartige „Mas Um Sonho“ engagierte sie das Percussionsensemble „Batacunda“, und der brasilianische Cellist Jacques Morelenbaum steuerte sechs Arrangements für Streicher bei. Mit 16 hatte die Tochter eines Geigers zu singen begonnen, und von 1975 bis 1985 hatte sie für zehn Jahre aufgehört. Doch dann packte es sie wieder – und zwei Jahre später schaffte sie den Durchbruch. „Wir von den Kapverden verlieren die Hoffnung nie“, sagt sie. „Ich rechnete fest damit, dass eines Tages etwas geschehen würde. Meine Lieder sind Religion und Therapie für mein Volk. Sie können unsere Leiden lindern und uns unsere Schwierigkeiten vergessen lassen.“
Sony
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