Aus Frankreich kommt der Begriff des „folklore imaginaire“. Gleich drei neue CDs französischer Labels setzen sich mit ganz unterschiedlichen musikalischen Traditionen auseinander:
Auf einer neuen CD erfährt die Idee einer Folklore aus Fantasie und Vorstellung jetzt eine besonders reizvolle Umsetzung. Okzitanische Lieder der Auvergne sind bisher nur aus ethnografischen Aufnahmen alter Frauen und Männer bekannt. Diese galloromanische Sprache wird nur in Teilen Frankreichs, Spaniens und Italien ge sprochen. Der Tenor Bruno Bonhoure hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Liedern eine jugendliche Stimme zu leihen und sie mit lebendigen, der Tradition entsprechenden Begleitelementen zu versehen. Mit dem Ensemble La Camera Delle Lacrime verwirklicht er seine Vorstellung. Männerstimme und Sopran mischen sich diskret mit Djembe-Rhythmen, Lauten- und Akkordeonklängen („Se Canta Que Recante“. Alpha 519/Note 1).
Einer ganz anderen Vision folgt die aufwändige CD/DVD-Produktion „Qawwali Flamenco“ bei Accords Croisés. Sie thematisiert die Verwandtschaft zwischen Flamenco und der Musizierpraxis der Qawwali aus Pakistan. Ein Flamenco- Trio aus den Sängern Miguel Poveda und Juan Cortés („Duquende“) und dem Gitarristen Juan Gómez („Chicuelo“) musiziert im Wechsel und gemeinsam mit einem Qawwali- Ensemble aus Chor mit Harmoniumund Tabla-Spielern unter der Leitung des Sängers Faiz Ali Faiz. Es ist ergreifend, wie nahe sich die Sänger im Ausdruck kommen und sich zu kontrollierter, hymnischer Ekstase steigern (2 CDs + 1 DVD, Accords Croisés/harmonia mundi AC 114.15).
Streng traditionell ist die vom Pariser Institut du Monde Arabe herausgegebene CD „Musique andalouse de Tangier“ mit dem Ensemble von Cheikh Ahmed Zaïtouni. Er hält sich genau an die Musiktheorie des legendären Mauren Ziryâb. Ein Sänger, eine Sängerin und zehn Instrumentalisten mit Schoßgeigen, Celli, Bratschen, Oud und Trommeln machen eine Musik, die improvisatorisch wirkt, aber mit ihrem melismatischen Psalmodieren, ihrer komplexen Rhythmik und ihrer Parallelstimmen-Begleitung strengen Vorgaben folgt. Was zunächst trotz der klar vorstrukturierten Dramaturgie für ungeübte Ohren monoton wirkt, entwickelt schließlich eine faszinierend magische Wirkung (harmonia mundi/HM 321.076).
Allen besprochenen Produktionen liegen mustergültige Dokumentationen bei, in denen alle Texte – stets auch in englischer Übertragung – nachzulesen sind.
Thomas Fitterling, 03.01.2015, RONDO Ausgabe 3 / 2006
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