Startseite · Interview · Gefragt
Neue Musik, Alte Musik. Renaissance, Barock und Spirituals, Volkslieder. Jazz und Pop, Beatles, David Bowie und Swing. Strawinsky, Chansons und Straußwalzer, Musicalmelodien, isorhythmische Motetten … Welche Art von Musik haben die King’s Singers eigentlich noch nicht gesungen? Schwer zu sagen, immerhin hat das „königliche Sextett“ in seiner knapp 40-jährigen Geschichte das Prinzip des Crossover schon überzeugend künstlerische Wirklichkeit werden lassen, als es den Begriff noch gar nicht gab. Aber eins ist sicher: Sie haben noch nie eine DVD produziert. Bis jetzt. „From Byrd to the Beatles“ heißt die Veröffentlichung, die anlässlich eines Konzerts der sechs in der Londoner Cadogan Hall die Vielfalt ihres Repertoires einfängt – und das verbunden mit einer dramaturgisch geschickt vorbereiteten weiteren Premiere.
Vordergründig erlebt man das aufgezeichnete, großartig gesungene Programm: Von Geistlichem alter Meister wie Byrd und Lasso, von italienischen Madrigalen, Vokalsätzen von Kodály und Reger geht es über Songs von den Beatles, Freddy Mercury und Billy Joel zur unnachahmlichen „Barbier“-Ouvertüre und der „Danny- Boy“-Bearbeitung bis hin zum eigens in Auftrag gegebenen „Masterpiece“ von Paul Drayton 1992 – einem multistilistischen Megagag, in dem Bach, Beethoven, Mozart & Co. effektvoll parodiert werden. Zwischen den Nummern plaudern die „königlichen Sänger“ in Backstage- Dokumenten auf Englisch (deutsch untertitelt) reihum über ihre Arbeit, und dann erlebt man sie im Studio, wo sie gerade ein wahres Monsterprojekt vorbereiten: das imposante, 40-stimmige Chorwerk „Spem in alium“ von Thomas Tallis, der mit dieser Komposition vor fast einem halben Jahrtausend englischen Nationalstolz bewies. Ein Italiener namens Alessandro Striggio hatte ein ähnliches Monumentalstück auf die britische Insel gebracht, und ein Herzog regte an, dass ein Engländer doch bitteschön Ähnliches, wenn nicht Besseres zustande bringen solle. Das Ergebnis: eines der eindrucksvollsten Werke englischer Vokalmusik.
Die Spannung wächst mit jedem Zwischenschnitt. Da die King’s Singers nur sechs Stimmen zur Verfügung haben, muss die moderne Mehrkanaltechnik helfen, das Potenzial zu vervielfachen. Eine komplizierte Angelegenheit bei Talllis’ vertrackter Rhythmik. Wir verfolgen die einzelnen Mitglieder beim Üben und bei der Aufnahme ihrer jeweiligen Partie. Und am Schluss hören wir Tallis’ himmlisch harmonische Klangkathedrale – wie die gesamte CD in Surround-Sound. Die sechs Meistersänger stehen dabei nicht in Konzertkleidung, sondern hemdsärmlig vor den Mikros und nehmen es auch insgesamt sportlich: „Hey, that was perfect!“, heißt es nach der großen Schlussfermate, wenn der Hall noch nicht verklungen ist. Stimmt: Die Premiere ist gelungen, in doppelter Hinsicht, und der britische Nationalstolz scheint auch wieder ein bisschen durch. Tallis wurde um 1505 geboren, man feiert dieses Jahr also seinen wahrscheinlich 500. Geburtstag.
Oliver Buslau, 28.02.2015, RONDO Ausgabe 4 / 2005
Nachhaltiges Engagement
Ausgrabung: In der Henrichshütte Hattingen inszeniert der Musikwissenschaftler Peter P. Pachl die […]
zum Artikel
Zwischen Idylle und Bedrohung
Auf dem neuen Album der russischen Pianistin mit Werken von Schumann bis Bartók dreht sich alles […]
zum Artikel
Meldungen und Meinungen der Musikwelt
Auf die Frage, welchen Komponisten er vielleicht noch nicht dirigiert und am Klavier gespielt hat, […]
zum Artikel