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Diese Wanderung veränderte die Musikgeschichte: Im November 1705 machte sich der junge Bach zu Fuß auf den Weg ins 380 Kilometer entfernte Lübeck auf, um Dietrich Buxtehude musikalisch über die Schulter zu schauen. Aus der geplanten Stippvisite wurden schließlich vier Monate. Und wie auch Francesco Tristano nun klarstellt, war »die Musik Bachs nach diesem Aufenthalt nicht mehr die selbe.« In 32 Variationen belichtet Buxtehudes Cembalo-Opus »La Capricciosa« das Volkslied »Kraut und Rüben haben mich vertrieben« nach allen Regeln der Kunst neu. Und wenig später greift Bach in seinen parallel angelegten »Goldberg-Variationen« das »Kraut und Rüben«-Thema im »Quodlibet « auf. »Bach hat dieses Thema als Hommage an Buxtehude verarbeitet«, so Tristano, »doch vielleicht ist es sogar so, dass jede einzelne Variation von Bach eine Version von Buxtehudes Ur-Variationen ist.«
Diese These des 30-jährigen Luxemburgers und ehemaligen Schülers von Rosalyn Tureck mag gewagt sein – anregend ist sie allemal. Und darum geht es Tristano schließlich: Statt in musikwissenschaftlich sattelfesten Kategorien zu verharren, macht er sich eigene Gedanken über mögliche Querverbindungen zwischen Komponisten und Epochen. Bach ist dabei stets Dreh- und Angelpunkt, wie auf dem letzten Album, als er den Thomaskantor mit dem Neue Musik-Revoluzzer John Cage in Dialog treten ließ.
Auf »Long Walk« geht es aber nicht nur um die Geistesverwandten Buxtehude & Bach. Tristano hat sich auch schöpferisch mit jenen 14 Bach-Kanons beschäftigt, die auf der Bass-Linie der »Goldberg-Variationen« aufbauen. Und da für ihn die Kanons eine Art Vorläufer für die rhythmischen Loop-Schleifen sind, wie sie heute in der Techno-Musik vorkommen, verleiht er Bach in seinem Spiel ungeahnten Groove und elektro-akustische Quirligkeit. Tatsächlich: Wer wagt, gewinnt.
DG/Universal
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