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Klarer Fall, sollte man meinen: Wer wie die Stucky mitten in einem Jimi-Hendrix- Tribute „Hey Jude“ singt statt „Hey Joe“, der fliegt raus. Aber die Schwyzer Piloten Doran (Christy, Gitarre) und Studer (Fredy, Drums) bringt nichts ab vom Kurs. Keine Wimper zuckt, wenn sich Stewardess Stucky (Erika, Gesang) im roten Sessel röchelnd über ihren „My First Sony“ beugt, ein nicht ganz jugendfreier Exzess. Sessel und Sony sind wie ihre Super-8-Filme eine Art Markenzeichen der Performances von „Mrs. Bubbles“. Und überhaupt spielt Christy Doran beim Münchner Konzert der unkonventionellen Reihe „jazz lines“ manchmal so brav Hendrix-nah, dass Verfremdung à la Stucky dringend fällig scheint. Brav hat die als Jazzsängerin und Schauspielerin ausgebildete Schweizerin noch nie sein mögen. In einer auf Sittenstrenge bedachten Alpenregion wie dem Wallis gab’s dafür wenig Verständnis.
Zum Glück ist Erika Stucky dank ihrer Biografie mit einer Art Freibrief fürs Ausflippen gerüstet: „Die wissen, dass ich, bis ich neun war, im San Francisco der Hippie-Ära gelebt habe. ,Kein Wunder, dass die so laut und schrill ist‘, sagen die sich.“ Und wie kam sie nach dem Umzug ins 700-Seelen-Alpdorf mit Beichtgang und Blasmusik zurecht? „Als Kind fand ich’s super. Gar nicht bedrückend, so eine Art Heidiland ohne finstere Gestalten wie in den USA, wo Mädchen nicht im Freien schlafen oder im Kino allein aufs Klo gehen durften.” Dass sie nach der Schulzeit erst einmal Clown werden wollte, gesteht Mrs. Bubbles fast verschämt: „Also heutzutage hab ich null Bock, die rote Nase aufzuziehen.“ Entsprechend froh ist sie, dass in Konzertkritiken schon lange nicht mehr das Wort „Ulknudel“ vorkommt, sobald sie Grimassen schneidet oder in Kostüme schlüpft. „Musik als Show ist mir immer am leichtesten gefallen. Aber es geht dabei um serious fun, nicht um Klamauk.”
Herzergreifende Musik statt flachem Nonsens ist auch zu erwarten, wenn Mrs. Bubbles sich auf Erbsen bettet und ihr jüngstes Opus „Princess“ nennt. Die üblichen Tiefton-Verdächtigen Bertl Müller (Posaune) und Jon Sass (Tuba) im Gefolge, behängt sie sich mit königlichen Repertoire- Perlen aus renommierten Werkstätten à la Prince und Queen. Nirvana („Für mich ist Kurt Cobain der Grunge Graf“), Elvis („Wollte ich ganz früher mal heiraten – wie alle kleinen Prinzessinnen“) und Michael Jacksons „Bad“ („Der ist sowas von UNbad. Echte Bad Guys wie Muhammed Ali sind cool, above all, hip“) stehen neben heroischen Eigenbauten mit Titeln wie „Queen Mom“, „Domina“, „Fearless“ oder „Untouchable“. Wirklich unberührbar bleibt die Furchtlose auch diesmal nicht: „Ich steh auf wackeligen Stöckelschuhen und versuche mich so nobel wie möglich durch den Abend zu singen. Dieses Programm ist wohl das verletzlichste von allen bisher, weil ich all die Prinzessigkeiten in mir zeige. Das braucht schon ein bisschen Mut, als Erwachsene dazu zu stehen“, bekennt Erika Stucky, die notfalls auf einem Bett voller Erbsen in Prinzessinnenschlaf fallen würde.
Klaus von Seckendorff, 28.03.2015, RONDO Ausgabe 3 / 2005
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