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N° 1354
20. - 30.04.2024

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am 27.04.2024



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(c) Bettina Stoess

Hier fehlt der Guru! Meyerbeers "Vasco da Gama"

Deutsche Oper, Berlin

„Vasco da Gama“ war die letzte Oper des Begründers der Grand Opéra, Giacomo Meyerbeer. Früher hieß das Werk „Die Afrikanerin“. Ein exotischer Titel, den der unerwartet verstorbene Meyerbeer nicht mehr verhindern konnte. Dabei geht es hier keineswegs um eine auf dem afrikanischen Kontinent geborene Königstochter, sondern um eine Inderin. 2013 wurde das Werk erstmals nach der neuen Edition von Jürgen Schläder und unter originalem Titel in Chemnitz aufgeführt (und zu Recht als „Wiederentdeckung des Jahres“ gefeiert). An der Deutschen Oper Berlin ist es Hauptstück einer verdienstvollen Meyerbeer-Aktion von Intendant Dietmar Schwarz. Nächste Spielzeit folgen „Les Huguenots“, inszeniert von Stefan Herheim. Danach „Le prophète“.
Die Aufführung: international erstrangig besetzt. Roberto Alagna als Kap-Umsegler hat Metallspäne in der Stimme, wie er sie braucht. Allerdings erweist er sich bei der berühmten Arie („Ô Paradis“, jetzt hört sie auf einen anderen Titel) als verdammt eindimensionaler Gestalter. Sophie Koch als Selica geht beim Liebestod unterm giftigen Manzanilla-Baum fast die Puste aus; kein Vergleich mit schweren Geschützen in dieser Rolle wie Jessye Norman oder Shirley Verrett. Nino Machaidze (Inès) gibt ein früh angewelktes Glamour-Girl. Vorzüglich Seth Carico als Don Pedro. Markus Brück als Nelusco singt die Rolle seines Lebens.
Wenn die 4 ¾-stündige Anstrengung nicht ganz zündet, liegt’s nicht nur an der stadttheaterbraven Inszenierung von Vera Nemirova. Das Ashram-Indien, von ihr zum Ziel des Seefahrer-Epos bestimmt, sieht allzu hippiemäßig aus. Hier fehlt ein richtiger Guru! Leider lässt auch Enrique Mazzola im Graben dramatischen Puls vermissen. Es suppt alles eher trübe und abgestanden zu den zarten Füßen der Protagonisten herum. Das wäre vermeidbar gewesen. Schließlich würde man auch Wagners Schmachtfetzen, die zur Wirkung gebracht sein wollen, nicht einem blassen Repertoiredirigenten überlassen. Immerhin! Man schmeckt einen Klang, man hört einen Duft, wie man ihn ewig nicht mehr verspürte.

Robert Fraunholzer, 28.11.2015, RONDO Ausgabe 6 / 2015



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