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Lang ist es her, dass in jedem bürgerlichen Salon ein Klavier stand. Niemand weint ernstlich den in Tastenexerzitien gedrillten Töchtern eine Träne nach, doch selbst der grundsolide Musikunterricht ist inzwischen ein Wackelkandidat im Lehrplan, und von wechselhafter Qualität. Ein Jammer, wenn nach Budgetkürzungen an öffentlichen Schulen dann nur zahnlose, altersschrille Instrumente überdauern – an denen der erste Ausflug ins Zauberreich von Dur und Moll wenig Freude bereit.
Eine Entwicklung mit fatalen gesellschaftlichen Auswirkungen, findet die 2012 gegründete Carl Bechstein Stiftung, und möchte mit ihrem breitenwirksamen Engagement nicht allein dieser materialistischen Bewertung von Musik entgegentreten. „Das Klavier ist ein wunderbares Instrument, denn man kann ein mehrstimmiges Stück allein, mit anderen Instrumenten oder sogar einem ganzen Orchester darauf spielen“, findet Gregor Willmes, Projektleiter der Stiftung. Die Erosion der kulturellen Bildung wird für ihn in der Qualität der schulischen Instrumente spürbar. „Wir sehen die Gefahr, dass das Klavier aus den Schulen und damit ganz aus dem Sichtfeld verdrängt wird, weil kein Geld vorhanden ist. Auch Musikschulen können das nicht am Nachmittag auffangen, da Kinder heute oft ganztags im Klassenverband bleiben“, so Willmes.
Tja, wenn das Kind nicht zum Klavier kommt … Im April 2013, ein halbes Jahr nach Gründung, lieferte die Carl Bechstein Stiftung ihr erstes Instrument an eine Grundschule aus. Und möchte so das Klavierspiel selbst als Kulturgut fördern. Dass das Musizieren an den schwarz-weißen Tasten auch die feinmotorischen Fähigkeiten, sozialen Kompetenzen und die Kreativität steigert, Konzentrationsschwächen abbaut und das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert, wird für die Lehrer der Schulen ein mehr als willkommener Nebeneffekt sein.
Der Name „Carl Bechstein“ hat bis heute einen noblen Klang. Dessen mit Geschick geführte Berliner Pianoforte-Fabrik band mit ihren warm timbrierten, präzise ansprechenden Instrumenten Komponisten wie Richard Wagner, Franz Liszt und Claude Debussy an sich, und nicht nur das Who-is-who der Tastengötter wie Wilhelm Backhaus, Arthur Schnabel und Wilhelm Kempff. Auch Elton John und Freddie Mercury spielten gerne Bechstein. „Das Klavier ist ja nicht allein das Klavier der Klassik“, gibt Willmes zu bedenken, „auch Jazz und Pop sind ohne nicht denkbar. Es geht nicht um E-Musikpflege, sondern darum, dass Klavierspielen Spaß macht.“ Darum verzichtete man auch darauf, für das Projekt einen Pianisten als Aushängeschild zu gewinnen. „Es gibt diesen Domino-Effekt: Wenn sich nur ein Kind an das Klavier setzt, und sei es nur mit dem Flohwalzer, steckt das andere Kinder sofort an, und das wirkt viel besser“, so Willmes.
Neben der Klaviervergabe an Grundschulen fördert die Stiftung auch jugendliche Musiktalente durch Stipendien, vergeben im Rahmen des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“. Auch einen Carl Bechstein Wettbewerb hat sie initiiert, der sich dieses Jahr an junge Klavierduos richtet. Diese drei Bereiche sieht Willmes aber nicht als Abfolge einer Karriere- Tonleiter, eher als Kreise mit Schnittmengen.
Ganze 120 Klaviere wechselten inzwischen von der Manufaktur in den Klassenraum, nächstes Jahr werden es 150 sein. „Wenn an jeder dieser Schulen nur 10 Kinder Klavierunterricht bekommen, haben wir bereits 1500 Kinder erreicht“, bilanziert Gregor Willmes und ergänzt: „Dieses Projekt wird über Jahre anhalten, da bin ich sicher, und es funktioniert auf ganz seriöse Weise.“
Ach ja, neue Förderer und Freunde, die ihre Liebe zum Klavierspiel auf diesem Weg an Kinder weitergeben möchten, sind natürlich auch jederzeit willkommen.
www.carl-bechstein-stiftung.de
Carsten Hinrichs, 08.10.2016, RONDO Ausgabe 5 / 2016
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