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(c) Martin Förster/Sony
Kleopatra also, Ptolemäerkönigin, von legendärem, auch zweifelhaftem Ruf. Da liegt die Messlatte für die Sopranistin Regula Mühlemann ziemlich hoch. Und das nicht nur, weil eine Stimmfachkollegin, Anna Prohaska, im letzten Jahr mit einem ähnlichen, den Schlangenköniginnen Cleopatra und Dido gewidmetem Konzept-Album mächtig abgeräumt hat. Zuvor hatte sich die Mezzosopranistin Anna Bonitatibus ebenfalls schon einer kontrovers diskutierten Regentin der Antike monografisch zugewandt: Semiramis, Königin von Babylon.
Wie also klingt eine griechisch-ägyptische Herrscherin? Die gewissenhafte Schweizer Sopranistin hat in ihrem Booklet gleich ein ganzes Seelendiagramm aufgezeichnet: Da gibt es, verziert mit hübschen Hieroglyphen Marke Eigenbau, die stolze Kleopatra, die betende, die königliche, den Mensch, die Verführerin, die Unberechenbare, die Verklärte – und allen sind die diversen Arien des Albums aus Opern von Händel, Graun, Hasse, Vivaldi, Legrenzi, Scarlatti, Sartorio und Mattheson zugeordnet. Arien, die schmeicheln und wüten, bitten und umgarnen. Die aber alle von einer gleichförmigen, jungmädchenhaft sanften, dabei etwas flachen Stimme gesungen werden. Auch die wenig abwechslungsreiche Begleitung durch das La Folia Barockorchester unter Robin Peter Müller kann den eher faden CD-Höreindruck nicht wettmachen.
Die sympathische Regula Mühlemann ist inzwischen 31 Jahre alt. 2011 begeisterte sie noch darstellerisch wie vokal mit jungmädchenhafter Anmut als Ännchen in Jens Neuberts „Freischütz“-Film. Seither hat sich ihr Repertoire wenig verändert. Sie ist vorwiegend zur Stelle, wenn es die naiv-lyrischen Mozart- Mädchen zu besetzen gilt: Papagena, Zerlina, Serpetta („La finta giardiniera“), Servilia, Barberina, Elisa („Il rè pastore“). Dazu kommen das Ännchen, die „Fidelio“-Marzelline, Gretel und Wagners Waldvogel. Denn tschilpen kann sie. Das selten, aber meist an nicht unbedeutenden Spielorten; so leistet ihre Agentur, die mit Universal Music verbunden ist, gute Dienste.
Dort freilich hatte man sie immer nur in Nebenrollen besetzt, etwa beim Baden-Badener Mozart-Zyklus. Auf CD war sie paradoxerweise für Sony Classical tätig, wo jetzt auch dieses zweite Soloalbum erschienen ist. Galt Mühlemanns Erstling dort noch ihren Mozart- Partien, als ein akustisch günstiges Rollen- Resümee unter Vermeidung der ganz schweren Brocken, so verlässt sie – die bekannt, aber nicht berühmt ist, und die langsam mal den „Beginn einer großen Karriere“ hinter sich bringen und durchstarten muss – jetzt entschieden die Komfortzone. Recht so! Auf der Bühne stehen im Herbst Debüts als Susanna und Blondchen an, da wird sich diese an sich kleine, deshalb aber ideale Plattenstimme an Häusern wie Genf und dem Teatro San Carlo in Neapel gehörig zusammennehmen müssen. Denn ewig kann sich niemand als Versprechen halten, ohne irgendwann mit barer Klangmünze zu zahlen.
So darf sie gerade als leichter Sopran nicht allzu lange auf dem Ausgangsrepertoire verharren, muss sich weiterentwickeln. In einer Opernwelt des gerade in diesen Partien gnadenlosen Typecastings steht die nächste Mozart- Sopranistin bestimmt schon in den Startlöchern. Regula Mühlemann hat offenbar die Herausforderung angenommen. Mal sehen, wohin sie sie führt.
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