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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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In Kapiteln erlebbar - hier "Erholung": Das Beethoven Museum in der Probusgasse (c) Klaus Pichler/wienmuseum.at

Pasticcio

„Ich bin auf‘m Land, und lebe ein wenig faul“

1792 wagte der 22-jährige Beethoven den endgültigen Schnitt. Er brach alle Zelte in seiner beschaulichen Geburtsstadt Bonn ab und ließ sich in der blühenden Musikmetropole Wien nieder. Bis zu seinem Tod im Jahr 1827 lebte er hier, doch richtig sesshaft sollte Beethoven nie werden. Das dokumentieren allein die mindestens 29 Wohnungen, die er in seinen Wiener Jahren an 26 Adressen bezogen hat. Wobei der Grund für einen neuerlichen Tapetenwechsel nicht selten im Streit mit der Vermieterin lag. So musste Beethoven im April 1825 bereits nach wenigen Monaten wieder raus aus der Wohnung in der Johannesgasse, da er wohl mit seinem lärmenden Klavierspiel nicht nur die Nachbarn gestört haben soll. Unter den vielen Beethoven-Wohnungen, die sich über das Wiener Zentrum verteilen und einzeln der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, hat es anscheinend aber bisher keine gegeben, die sich für ein veritables Beethoven-Museum geeignet hätte. Somit kommt es schon einer kleinen Sensation gleich, dass die Beethoven-Stadt Wien jetzt endlich – 190 Jahre nach Beethovens Tod und drei Jahre vor dessen 250. Geburtstag – die Pforten für so eine überfällige Pilgerstätte eröffnet hat. Sie liegt ab sofort im 19. Gemeindebezirk, in der Probusgasse 6. Und wenngleich der Komponist hier lediglich den Sommer und Frühherbst des Jahres 1802 verbracht hat, steckt in diesem Haus Musikgeschichte. Denn in jenen Monaten hat Beethoven hier nicht nur die sogenannte „Sturm“-Sonate, die „Prometheus“-Variationen op. 35 sowie erste Skizzen zur „Eroica“ niedergeschrieben. In der Wohnung verfasste er zugleich sein berühmtes „Heiligenstädter Testament“, das zum bewegenden Zeugnis von Beethovens beginnender Taubheit wurde. Auch der Ort hat dementsprechend unmittelbar mit Beethovens Schicksal zu tun. Denn Heiligenstadt galt damals wegen seiner schwefelhaltigen Heißwasserquellen bei der Prominenz als Kurort. Hierher also hatte Beethovens Arzt ihn geschickt – in der Hoffnung auf Linderung seines Gehörleidens. „Ich bin auf‘m Land, und lebe ein wenig faul, um aber hernach wieder desto – thäthiger zu leben“, so Beethoven in einem Brief an den Leipziger Verleger Hoffmeister & Kühnel.
Lange Zeit war im Haus in der Probusgasse 6 nur eine kleine Gedenkstätte untergebracht. Aber jetzt sind aus den ehemals 45 m² rund 250 m² Ausstellungsfläche geworden, die in sechs Kapiteln Beethovens Leben und Nachruhm auch anhand besonderer Exponate rekonstruieren. So sind historische Ohrröhren genauso zu sehen wie ein „Souffleur-Kasten“, den sich Beethoven zur Schallverstärkung als metallenen Kasten auf den Flügel setzen ließ. Und selbstverständlich darf auch das Faksimile des „Heiligenstädter Testaments“ nicht fehlen (www.wienmuseum.at).

Guido Fischer



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