Manchmal kennen sich Astronomen nicht nur im weiten Universum aus, sondern auch im irdisch verwinkelten Musikarchiv. Denn als einem belgischen Sternengucker 1992 ein unbekannter Asteroid vors Teleskop geriet, gab er ihm nicht nur die Nr. 7881. Er taufte ihn gleich auf den Namen »Schieferdecker«. Damit wurde immerhin in fernen Welten der deutsche Barockkomponist Johann Christian Schieferdecker verewigt, den man auf unserem Mutterschiff Erde irgendwie aus den Augen verloren hatte.
Doch nun dürfte – um im Bild zu bleiben – hier sein Stern aufgehen. Denn das Elbipolis Barockorchester Hamburg hat aus Schieferdeckers Sammlung »Musicalische Concerte« ein halbes Dutzend Werke eingespielt, die es in sich haben. Oder wie es Cembalist Jörg Jacobi auf den Punkt bringt: »Seine Musik kitzelt das Ohr!« Tatsächlich ist man nicht nur von der effektvollen und dann wieder einfühlsam-melodiösen Klangsprache verblüfft. Obwohl sich auch in den fünf weltersteingespielten Suiten eine Gavotte an ein Menuett oder eine Gigue reiht, besitzt jedes Werk einen ganz eigenen Charakter und Geist. »Es sind perfekte Beispiele für den gemischten Stil«, so Jacobi, »Schieferdecker verbindet französische und italienische Einflüsse mit dem deutschen Geschmack. Und doch unterscheidet sich seine Musik etwa von der eines Telemann.«
Entstanden sind die Werke wahrscheinlich in Hamburg, wo Schieferdecker ab 1702 als Cembalist an der Gänsemarkt-Oper wirkte. 1707 ging er dann als Organist und zukünftiger Schwiegersohn von Dietrich Buxtehude nach Lübeck, danach wurde es für drei Jahrhunderte still um ihn. Vor zehn Jahren stieß Jacobi auf die »Musicalischen Concerte«, und als er nun zusammen mit seinen Freunden und Kollegen vom Elbipolis Barockorchester Hamburg überlegte, was man auf der nächsten CD machen könnte fiel die Wahl doch auf Schieferdecker – und damit auf eine Musik, die einem sofort ins Ohr geht und bald hell strahlen wird.
Guido Fischer, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 6 / 2011
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