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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Mikhail Simonyan

Zwei Seelen

Der in den USA ausgebildete russische Violinist Mikhail Simonyan hat nicht nur die Karriere im Kopf, sondern engagiert sich auch in Afghanistan. Auch darüber hat Reinhard Lemelle mit ihm gesprochen.

Seit Anfang Juni ist Simonyans CD im Kasten, mit der er im Januar 2012 offiziell seinen Einstand beim neuen Label gibt. Und auch ein halbes Jahr nach den Londoner Studioterminen gerät der 25-Jährige über seinen musikalischen Partner mächtig ins Schwärmen. Zumal Simonyan ihn schon sein halbes Leben lang kennt: »Kristjan Järvi ist seit über zwölf Jahren mein bester Freund. Ich war sehr jung, als wir uns begegneten. Wann immer ich mit ihm arbeite, prägt er entscheidend mein musikalisches Tun. Er ist so inspirierend, intelligent und dabei locker. Wir schwimmen auf einer Wellenlänge. Das Tolle ist außerdem: Wir arbeiten nicht nur sehr gern zusammen, sondern haben auch ansonsten jede Menge Spaß.«
Kennengelernt hatte man sich 1999 bei Simonyans US-Debüt. Mit 13 Jahren war er zusammen mit dem Russischen Jugendorchester im New Yorker Lincoln Center aufgetreten – mit Karol Szymanowskis Violinkonzert. Und unter den Zuhörern saß Järvi, der sofort das riesige Potenzial dieses Talents erkannte. Das erste Leitbild wurde in jenen Jahren aber zunächst Simonyans Lehrer am renommierten Curtis-Institut in Philadelphia. Denn über den Oistrach-Schüler Victor Danchenko bekam er den Geist der großen russischen Violintradition aus erster Hand vermittelt. Zudem machte Danchenko ihn mit vielen Werken vertraut, die eng mit dem Namen Oistrach verbunden sind. So spielte Simonyan 2009 auf seiner ersten CD die beiden, von Oistrach uraufgeführten Violinsonaten von Prokofjew ein.
Zwei Jahre später nun ist es das ebenfalls von Oistrach aus der Taufe gehobene Violinkonzert des Armeniers Aram Katchaturian, das Simonyan zusammen mit dem Konzert des Amerikaners Samuel Barber eingespielt hat. »Two Souls«, so der Titel des Abums, spielt zugleich auf seine ›amerikanische’ Zeit an. Doch wenngleich Simonyan wie seine Kollegen Maxim Vengerov und Vadim Repin aus Novosibirsk stammt, schlägt sein eigentliches Herz (auch dank des armenischen Vaters) für die Kaukasus-Republik. »Weil Armenien das erste Land war, das das Christentum annahm, besitzen die Menschen dort eine Spiritualität, die ich sonst nirgends finde. Ich ziehe gerade nach Jerewan, um dort eine Familie zu gründen.« Das Bekenntnis zu den armenischen Wurzeln hat er also nur folgerichtig auch musikalisch abgelegt. Für das Katchaturian-Konzert hat er sich vom armenischen Komponisten Artur Avnesov eine Kadenz schreiben lassen, die in ihrem Ausdruck die armenische Kirchenmusik aufgreift.
Nicht nur mit dem Katchaturian-Konzert wird Simonyan in den nächsten Monaten international und zusammen mit Järvi unterwegs sein. Auf dem Tourkalender stehen genauso die Konzerte von Tschaikowsky, Dvorˇák und Bruch wie Kammermusikabende. Obwohl es also glänzend für ihn läuft, nimmt er sich dennoch immer wieder eine Auszeit, um sich einem besonderen Projekt zu widmen. »Beethoven Not Bullets« heißt sein 2010 auf die Beine gestelltes Hilfsprogramm, mit dem er in der Krisenregion Afghanistan das musikalische Leben vorantreiben will. »Afghanistan ist das einzige Land in der Dritten Welt, das kein Förderprogramm für junge Musiker hatte, weil das Taliban-Regime solche Initiativen blockierte. Ich habe angefangen, mich dafür zu engagieren, nachdem ich Dr. Ahmad Naser Sarmast kennen lernte, den Gründer des Afghanischen Instituts für Musik. Ich bin fasziniert von dem, was er bewegt. Deshalb habe ich ein Förderprojekt entwickelt, um so das Institut und die Musikstudenten zu unterstützen.« Simonyan sammelt dafür Spenden oder bringt wie zuletzt eigenhändig Instrumente nach Kabul. Schließlich ist Musik kein Selbstzweck, wie er einmal geäußert hat – »in der Musik geht es immer auch um das Miteinander. «

Aram Katschaturjan, Samuel Barber

»Two Souls« – Violinkonzerte

Mikhail Simonyan, London Symphony Orchestra, Kristjan Järvi

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Reinhard Lemelle, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 6 / 2011



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