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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Julia Lezhneva

Vokales Feuerwerk

Mit der Debüt-CD bei ihrem neuem Label schlägt Sopranistin Julia Lezhneva eine Brücke von Vivaldi zu Mozart. Inklusive einer Porpora-Ersteinspielung.

Am Anfang stand Mozarts Motette „Exsultate, Jubilate“, ein Werk, das Julia Lezhneva seit Beginn ihrer Sängerlaufbahn immer wieder begleitet hat. So unter anderem auch bei ihrem umjubelten Debüt 2010 bei den Salzburger Festspielen. Und so war es relativ schnell klar, dass dieses Werk die Keimzelle ihrer ersten Solo- CD für Decca sein würde. Ebenso klar war jedoch, dass es kein reines Mozart-Programm werden sollte. Stattdessen entschied sich die sympathische junge Russin dafür, hier die Gattung Motette ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen und deren stilistische Entwicklung von Vivaldi bis hin zu Mozarts Meisterwerk nachzuzeichnen. Und das selbstverständlich keineswegs als trockene musikwissenschaftliche Vorlesung, sondern als vokales Feuerwerk.
„Mit dem Aufkommen der Solo-Motetten trat zum ersten Mal die menschliche Stimme bei Konzerten in den Vordergrund. Zuvor gab es nur Opern, aber von da an konnte man als Sänger auch im Konzert seine Virtuosität zeigen. Nachdem Mozart und Vivaldi für unser Projekt feststanden, haben wir lange darüber diskutiert, womit man diese beiden Komponisten kombinieren könnte und wir waren uns einig, dass wir eine Brücke zwischen den Stücken bauen wollen. Um das richtige Bindeglied zu finden, haben wir uns verschiedene Dinge angesehen und sind schließlich bei Nicola Porpora gelandet, der zahlreiche Motetten verfasst hat, von denen die meisten heute leider komplett vergessen sind.“ So handelt es sich bei Julia Lezhnevas Interpretation von „In caelo stelle clare fulgescant” nun auch um eine veritable Weltersteinspielung, bei der sie dem Werk gemeinsam mit Dirigent Giovanni Antonini neues Leben einhaucht. „Schon als wir die Noten zum ersten Mal gemeinsam durchgegangen sind, haben wir uns beide in diese Musik verliebt und waren uns einig, dass es die perfekte Ergänzung für Vivaldi, Händel und Mozart ist. Jede der vier Motetten hat dabei ihren ganz eigenen Charakter, jeder Komponist seinen eigenen Stil, der sich zwar in ähnlichen Bahnen bewegt, aber doch klar voneinander unterscheidet.“
Mit Originalklangspezialist Giovanni Antonini hatte Julia Lezhneva zuvor bereits bei einer Aufführung von Vivaldis „Ottone“ zusammengearbeitet und in ihm einen Partner auf gleicher Wellenlänge gefunden. „Die Arbeit mit ihm war einfach wundervoll, weil er mir Impulse gegeben hat, Dinge zu tun, die ich zuvor nicht für möglich gehalten hätte. Seitdem habe ich immer davon geträumt, wieder mit ihm arbeiten zu können. Wir haben eine sehr enge künstlerische Verbindung zueinander und das ist gut, weil es beim gemeinsamen Musizieren vor allem um gegenseitiges Vertrauen geht. Und das hört man meiner Meinung nach auch auf dieser Aufnahme.“
Voll des Lobes ist die Sängerin auch, wenn das Gespräch auf die Musikerinnen und Musiker des Giardino Armonico kommt. „Dieses Orchester geht so leidenschaftlich an die Musik heran und hat eine sehr genaue Vorstellung, welche speziellen Klangfarben bei bestimmten Stücken eine Rolle spielen. Das war jetzt bei den Motetten sehr spannend zu beobachten. Auch welchen hohen Anspruch sie bei sich selbst anlegen. Gerade bei einem Projekt wie diesem ist es wichtig, als Team zu arbeiten und während den Aufnahmen hatte ich wirklich das Gefühl, dass wir einander verstehen, fast wie eine große Familie.“ Ein anderer wichtiger Förderer war Mark Minkowski, der durch einen YouTube-Clip auf sie aufmerksam wurde und sie für eine Reihe von Konzerten verpflichtete. „Ich hatte sehr viel Glück mit meinen Lehrern, die mich immer unterstützt haben und mich nie in die falsche Richtung gedrängt haben. Genau wie die Dirigenten, mit denen ich arbeiten durfte. Man muss vor allem seinem eigenen Instinkt vertrauen. Ich singe im Moment einfach das, was sich für meine Stimme gut anfühlt. Und im Barockrepertoire gibt es noch so viel zu entdecken. Für einen selbst und auch für das Publikum. Viele Stücke werden sehr selten aufgeführt oder sind lange Zeit überhaupt nicht gespielt worden. Das gibt einem als Musiker eine große Freiheit, seinen eigenen Zugang und seine eigene Interpretation zu finden.“

Antonio Vivaldi, Wolfgang Amadeus Mozart, Nicola Antonio Porpora

Alleluia

Julia Lezhneva, Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico

Decca/Universal

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Der Kastraten-Pate

Neben seiner kompositorischen Arbeit war der 1686 in Neapel geborene Nicolo Antonio Porpora ebenfalls ein angesehener Gesangslehrer, aus dessen Schule eine Reihe berühmter Kastraten hervorgingen: Caffarelli, Farinelli und Antonio Uberti, der sich zu Ehren seines Lehrers „Porporino“ nannte. Besonders die erfolgreichen Auftritte Farinellis sorgten für einen enormen Popularitätsschub Porporas, der daraufhin sogar sein Amt am Konservatorium von Neapel niederlegte, um sich fast drei Jahre lang ganz der Förderung seines virtuosen Meisterschülers zu widmen.

Tobias Hell, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 2 / 2013



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