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Alles Glück den Spätzündern! Als Reise-Solist in Sachen Beethoven und Brahms war er Jahrzehnte lang eine feste Größe, wurde allerdings auch nie richtig ernst genommen. Seine Box aller Beethoven-Sonaten, in den 70er Jahren mit Goldlettern beschriftet wie parallel der Sinfonien-Zyklus von Karajan: seit Ewigkeiten nicht mehr lieferbar. Als Nikolaus Harnoncourt ihn 1998 als Solist der beiden Brahms-Klavierkonzerte wählte, befreite sich Buchbinder erstmals vom Ruf eines ›Adabei‹ der internationalen Klavier- Szene. Eines Pianisten also, der immer nur ›a(uch) dabei‹ war.
Unterschätzt also? Sträflich sogar. Für seinen Wiener Kommilitonen Friedrich Gulda war Buchbinder der einzige, den jener gelten ließ (nach sich selbst, versteht sich). Buchbinder tourte mit Nathan Milstein und Henryk Szeryng, wurde von Artur Rubinstein nach Zürich eingeladen und teilte mit Martha Argerich denselben Lehrer. »Keine Frage!«, so sagt Buchbinder ehrlich, dass ihn der späte, allzu späte Ruhm verletzt habe. »Man bleibt allerdings jung dabei«, scherzt er, der in diesem Jahr 65 wird. Sein Vorbild sei immer Claudio Arrau gewesen. »Bei dem ging es langsam, aber stetig bergauf.«
Mildes Klima, Weinbau und Alfred Kubin. Seinen böhmischen Heimatort Litoměřice (Leitmeritz) verließ Buchbinder schon als Kind. Als Wiener Bub von fünf Jahren wurde er jüngster Student an der dortigen Hochschule für Musik. Sein Lehrer Bruno Seidlhofer legte auf Technik grundsätzlich wenig Wert. »Jeder hat eine eigene Pratz’n«, so das schrullige Credo. Fingersätze? Papperlapapp. »Ich habe technisch nicht das Geringste bei meinem Lehrer gelernt«, so Buchbinder. Stattdessen hält er selber für prägend, dass er »niemals Einzelunterricht« genossen habe. »Wir haben immer wild durcheinander gespielt.« Vielleicht nicht das schlechteste Ausgangskapital.
Klarheit, Wachheit, Klassizität zeichnete Buchbinders Spiel von Anfang an aus. Die »breite Palette«, die er an Rubinstein bewunderte, erstreckt sich bei ihm von Bach bis Chopin, von Haydn bis Richard Strauss. Mit Beethoven im Zentrum.
Vielseitigkeit, Neugier, sogar Unberechenbarkeit zeigt sich an seinen berühmten, oftmals beschriebenen und auch gern vorgeführten Hobbys. »Meine Lieblingsmaler Bosch, van Gogh und Chagall kann ich mir nicht leisten, « sagt er, wenn er den Besucher in Wien-Döbling durch seine Sammlung führt. Auch bastelt der Thomas-Bernhard-Fan unermüdlich an seiner Bibliothek. Und sammelt alle Filme von Alfred Hitchcock und John Wayne. »Einschließlich der stummen!«, meint er streng und pocht mit dem Finger auf den Tisch.
Bei Harnoncourt lernte er, »dass die Pause atmet«. – »Bist du wahnsinnig? «, hätten ihn Freunde gefragt, als er sich auf dieses Abenteuer einließ. Man verstand sich dauerhaft. Dass Buchbinder trotzdem der Versuchung nachgab, beide Brahms-Konzerte inzwischen noch einmal einzuspielen (mit Zubin Mehta), ist gleichfalls Ausdruck des späten Karriere-Glücks. Hier hat es einer verdient.
Jetzt erscheinen mit der »Sonata Legacy« die gesammelten Beethoven- Sonaten in einer neuen Live-Aufnahme (mitgeschnitten in der Dresdener Semperoper 2010/11). »Im Studio fehlt mir die Nervosität. Ich nehme nur noch live auf!«, echauffiert sich Buchbinder. Im ausgeglichenen Klassiker R. B. steckt nämlich ein Springteufel und Wiener Revolverheld, der pianistisch aus der Hüfte schießt. Man schaue sich den Mann nur mal von der Seite an! Die Ähnlichkeit mit John Wayne ist frappierend. Und kann kein Zufall sein.
Robert Fraunholzer, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 3 / 2011
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