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Der Rahmen für ein Kammermusikfestival in südlichen Gefilden könnte nicht schöner und bequemer sein. Und doch scheitert die vom Münchener Festivalgründerpaar Chiona und Kurt Schwarz angelockte Schickeria auf Samos – es ist herrlich zu beobachten. Von Tag zu Tag weichen mehr Stöckelschuhe und Seidenkostüme den Trekkingsandalen und Baumwollkleidern. Zypressen und Zedern stehen schwarz gegen den Nachthimmel, der Wind vom Hafen von Pythagorion weht herauf, und wer man ist und was man trägt wird bedeutungslos, sobald es bis auf Abermillionen Sterne dunkel wird, die Zikaden verstummen und die Bühne des antiken Theaters den jungen Musikern gehört.
Die Auswahl der Ensembles ist exquisit und noch aufregend unbekannt. Gitanes Blondes eröffnen mit folkloristischem, aber amüsantem Klassik-Verschnitt. Die Cymbalistin Olga Mishula aus Weißrussland spielt virtuos und scheinbar unmöglich Chopin und Liszt auf ihrer Kastenzither und erweckt sehr intensiv die Magie des griechischen Theaters. In Kommunikation mit dem Ort begibt sich auch die Camerata Smyrna aus Izmir. Das Holzbläserquintett spielt häufig unter freiem Himmel, in Blickweite fast, im Theater von Ephesus, nur einen knappen Kilometer entfernt. Mit dem Boot über das Meer erreichbar liegt es heute doch in einer ganz anderen Welt.
Die Gastkünstler angesichts gemeinsamer kultureller Wurzeln in einen modernen Diskurs über ihr Schaffen treten zu lassen, ist ein Hauptanliegen des Samos Festivals, so auch mit dem Tetraktys-Quartett. Schon wegen seines Namens gehört es hierher, auf die Geburtsinsel des Mathematikers und Philosophen Pythagoras. Die vier Athener Streicher fügen den wichtigen Blick auf die aktuelle Situation griechischer Musiker hinzu. In prekärer Lage, weil etwa das staatliche Rundfunkorchester geschlossen wurde oder seit vier Monaten nicht bezahlt, spüren sie stärker denn je den Drang, sich musikalisch auszudrücken. Ihr Schostakowitsch- Streichquartett klingt, als rängen sie ihren Instrumenten den letzten je auf Erden gespielten Ton ab. Hier im antiken Theater von Samos ist für Musiker wie für Zuschauer ein tiefes Kraftschöpfen aus der Essenz von Kultur möglich. In den Pausen trinkt man statt Champagner griechisches Dosenbier – und es schmeckt wie Ambrosia.
www.samosfestival.com
Julia Kaiser, 14.09.2013, RONDO Ausgabe 4 / 2013
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