home

N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Startseite · Interview · Gefragt

Dejan Lazić

Komponist dank »Amadeus«

Im vergangenen Jahr überraschte Dejan Lazić mit seinem Arrangement des Violinkonzerts von Brahms für Klavier und Orchester, jetzt meldet er sich mit einem Beethoven-Programm zurück. In Amsterdam, wohin Lazic´ vor kurzem gezogen ist, empfing er Miquel Cabruja zu einer Tasse weißem Tee und einem entspannten Gespräch in der gemütlichen Wohnküche seines Hauses – mit Fensterblick auf den verträumten Kanal direkt vor der Haustür.

RONDO: Herr Lazić, haben Sie sich schon in Amsterdam eingelebt?

Dejan Lazić: Amsterdam bietet viele Möglichkeiten für meine Freundin und mich. Sie hat hier als Geigerin ein breites Betätigungsfeld, mein Label ist hier ansässig und wir haben einen internationalen Flughafen in der Nähe. Das ist für Musiker sehr wichtig. Außerdem ist das Haus hier wirklich wundervoll – nicht nur architektonisch. Ich kann mich morgens noch vor dem Frühstück im Keller ans Klavier setzen, und die Nachbarn bekommen davon nichts mit.

RONDO: Wie wichtig ist Disziplin für Ihren Beruf?

Dejan Lazić: Das Klavier ist ein sehr anspruchsvolles Instrument und braucht täglich Übung; vor allem, wenn man sich mit einem breiten Repertoire beschäftigt. Solostücke, Kammermusik und Konzertliteratur verlangen jeweils nach einer eigenen Technik. Das gilt übrigens genauso für die Musik verschiedener Epochen. Es ist ein großer Unterschied, ob man Scarlatti oder Rachmaninoff spielt.

RONDO: Mit zwölf Jahren sind Sie von Ihrer Geburtsstadt Zagreb nach Salzburg gezogen, um bei Imre Rohmann zu studieren.

Dejan Lazić: Das war eine der wichtigsten Entscheidungen in meinem Leben, auch wenn mir das damals nicht klar war. Bei Rohmann wurde ich nicht nur als Interpret gefordert.

RONDO: Hat Ihr Lehrer auch den Grundstein zu Ihrer Komponistenkarriere gelegt?

Dejan Lazić: Das hat vorher schon der Film »Amadeus« erledigt. Den habe ich als kleiner Junge gesehen und gedacht: »Du spielst schon Klavier und Klarinette, wenn du jetzt noch komponierst, bist du wie Mozart!« (lacht herzlich) Das war natürlich total naiv. Im 19. Jahrhundert hat allerdings noch jeder Solist irgendetwas arrangiert oder geschrieben.

RONDO: Ihre Bearbeitung des Violinkonzerts von Brahms für Klavier und Orchester ist vergangenes Jahr erschienen und war sofort ein Riesenerfolg. Woran arbeiten Sie im Moment?

Dejan Lazić: An einem eigenen Klavierkonzert! Das ist eine sehr interessante Aufgabe, denn heute werden kaum noch Klavierkonzerte geschrieben.

RONDO: Auf ihrer jüngsten CD stellen Sie eigene Kadenzen zu Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 vor. Ist das angesichts des titanischen OEuvres des Komponisten nicht eine riesige Herausforderung?

Dejan Lazić: Natürlich. Aber man muss wissen, dass Beethoven selbst ständig improvisierte und andere Musiker dazu ermunterte, bei der Interpretation seiner Werke kreativ zu sein. Heute hat man fälschlicherweise die Vorstellung, dass ein Klavierkonzert von Beethoven auf eine ganz bestimmte Art und Weise zu klingen habe – und auf keinen Fall anders. Das widerspricht aber den historischen Tatsachen. Beethoven wollte ausdrücklich, dass der Solist sich schöpferisch einbringt.

RONDO: Bei Ihren Kadenzen hört man aber auch sehr viel Respekt heraus.

Dejan Lazić: Danke für dieses Riesenkompliment! Ich wollte einerseits die Erwartung des Komponisten erfüllen und aus der genauen Kenntnis seiner Musik etwas Neues schaffen. Andererseits war ich mir vollkommen der Tatsache bewusst, dass ich nie so wie Beethoven werde komponieren können. Deshalb musste ich andere Referenzpunkte suchen und eigene Wege gehen.

RONDO: Eigene Wege haben Sie und Richard Tognetti auch bei der Vorbereitung zu der Australien-Tournee beschritten, bei der das Konzert eingespielt wurde.

Dejan Lazić: Wir haben uns lange mit Beethovens Fassung für Streichquintett und Klavier beschäftigt, die kürzlich in Südholland entdeckt wurde. Das besondere an ihr ist, dass sie interpretatorisch ganz neue Sichtweisen ermöglicht, was Tempi, dynamische Akzente oder auch Agogik und Flexibilität angeht. Man kann daran wunderbar nachvollziehen, wie frei sich Beethoven die Interpretation seines Klavierkonzerts vorgestellt hat. Wir haben seine Musik dabei noch einmal ganz neu kennengelernt.

Ludwig van Beethoven

Klavierkonzert Nr. 4, Klaviersonaten Nr. 14 & 31

Dejan Lazić, Australian Chamber Orchestra, Richard Tognetti

Channel/harmonia mundi

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen.

Miguel Cabruja, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 2 / 2011



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Hausbesuch

Siemens Arts Program

Zukunftsmusik

Kein Tonträger kann jemals das Live-Erlebnis ersetzen. Oder vielleicht doch? Dank „Immersive […]
zum Artikel

Hausbesuch

réBelles!-Festival

Frauenlieder und -leben

Josefine Göhmann ist eine gefragte Sopranistin, die stilistisch eine große Bandbreite mitbringt. […]
zum Artikel

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Tenor Klaus Florian Vogt reist nach wie vor mit eigenem Flugzeug, eigenem Motorrad oder […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Der Komponist Giacomo Orefice (1865–1922) wuchs in einer jüdischen Familie im norditalienischen Vicenza auf und ist vor allem für sein Opernschaffen bekannt. Auch als Pädagoge macht er sich einen Namen, sein berühmtester Schüler war der Filmkomponist Nino Rota. Orefices bekanntestes Musiktheaterwerk ist „Chopin“, für das er die Klavierwerke des polnischen Komponisten orchestrierte. Seine eigene Klaviermusik umfasst überwiegend romantische Charakterstücke, die von Gedichten, […] mehr


Abo

Top