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RONDO: Was hat Sie an Griegs doch etwas abgespieltem Klavierkonzert gereizt?
Nikolai Lugansky: Also ich liebe und verehre diese Musik, vor allem die Melodik! Es gibt höchstens drei solcher Konzerte, die sind wie ein Gottesgeschenk. Ich weiß nicht, was man mit Grieg vergleichen könnte ... vielleicht Chopin 1, erster Satz?
RONDO: Ihre Einschätzung überrascht mich doch etwas ...
Lugansky: Wissen Sie, in vielen Musikschulen in Russland spielt man den ersten Satz. Ich kann das gar nicht verstehen. Das ist doch eines der schwierigsten Konzerte überhaupt, es fiel mir viel, viel schwerer als Rachmaninows Konzerte oder Liszts Transzendentaletüden. Es gibt Stellen im ersten Satz oder auch im Finale, die gehören zu den schwierigsten im ganzen Repertoire. Von der melodischen Seite her ist es vielleicht der Gipfel.
RONDO: Darum auch existieren nicht gerade wenige Aufnahmen.
Lugansky: Ja, es gibt viele großartige Interpretationen, Richter, Gilels, Lipatti, Lupu. Aber für mich gibt es eigentlich nur eine, einen live-Mitschnitt mit Michelangeli, das ist wirklich etwas Unvergleichliches. Ich muss das, wenn ich aufnehme, besser vergessen.
RONDO: Ungewöhnlich ist die Kombination mit Prokofjew 3.
Lugansky: Das war mein Vorschlag. Auf den ersten Blick sind das zwei völlig verschiedene Temperamente – Grieg der Melancholiker, Prokofjew der Sanguiniker. Aber der GenieTypus ist derselbe, diese unreflektierte Art, einfach aufzuschreiben. Es war nicht so wichtig für sie, Melodien zu verarbeiten und durchzuführen. Es ist ein Mozartartiges Talent, die Melodie kommt bei beiden einfach vom Himmel.
RONDO: Ich habe Sie gerade bei der letzten Aufnahmesitzung sehr bewundert. Dieses dauernde Springen von einer Korrektur zur anderen …
Lugansky: Oh ja, so etwas habe ich bis jetzt noch nie gehabt in meinem Leben. Normalerweise hätten wir mindestens noch einen Tag gebraucht. Keiner fragt bei diesen Takes: Was passiert mit der Form des Pianisten in diesen drei Stunden? Manchmal ist das unglücklich, wenn ich in Bestform bin und das Orchester noch ungenau, und wenn das Orchester nach einer halben Stunde endlich dieses Niveau erreicht, kann ich schon nicht mehr. Also ich muss schon sagen, das waren schwierige Konditionen. Hoffentlich, hoffentlich hat es geklappt.
Matthias Kornemann, 02.11.2013, RONDO Ausgabe 5 / 2013
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