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1989 begann in Berlin eine neue Ära. Über vier Jahrzehnte hatte Herbert von Karajan über die Berliner Philharmoniker regiert. Nun trat der Italiener Claudio Abbado seine Nachfolge an. Und bei einer der ersten gemeinsamen Proben schlug Abbado einen für die Musiker durchaus verblüffenden Ton an – mit den Begrüßungsworten „Ich bin für alle Claudio!“. Statt einer einschüchternden Autorität, wie sie Karajan war, hatten sie jetzt einen Dirigenten, der auf ein freundschaftliches Miteinander Wert legte. Und diese Philosophie machte sich schnell im Klang des Orchesters bemerkbar. Er hatte etwas von einer menschlichen Stimme bekommen, wie es damals der Solo-Cellist der Berliner Philharmoniker, Georg Faust, feststellte. Zugleich sorgte Abbado für eine Klarheit der Struktur und eine Durchsichtigkeit in den Stimmen, die nichts mehr mit der von Musikern oftmals als erdrückend empfundenen Klangdichte Karajans zu tun hatte.
Dieser musikalische Grundzug sollte nicht nur zwölf Jahre lang zum Markenzeichen dieser einmaligen Verbindung werden. Überall, wo Abbado vorher und nachher dirigierte, sorgte er für musikalische Sternstunden voller menschlicher Wärme. Ob an der Mailänder Scala, wo er fast zwanzig Jahre lang Musikchef war, ob bei Klassikern von Mozart bis Mahler oder bei Neuer Musik von etwa Stockhausen oder Luigi Nono.
Der entschlackte Musizierstil war das Resultat einer Probenarbeit, bei der Abbado jeder einzelnen Stimme ein Höchstmaß an gestalterischer Eigenverantwortung abverlangte. Um zudem an die wahre Tiefe eines jeden einzelnen Tons zu gelangen, erwies sich Abbado als eifriger Quellenforscher. Er studierte akribisch Autographen und Erstdrucke, war auf der Suche nach Originalfassungen. Abbados Verständnis von Werktreue, die nicht mit der asketischen Aufführungspraxis der Alten Musik-Bewegung verwechselt werden darf, sorgte somit auch im Repertoire der Wiener Klassik für modernste Inneneinsichten.
Seit Jahren litt der gebürtige Mailänder an Krebs. Und lange schien es, als ob er ihn besiegt hätte. Doch in letzter Zeit musste Abbado krankheitsbedingt nahezu all seine geplanten Konzerte absagen. Nun ist er im Alter von 80 Jahren in seiner Wahlheimat Bologna verstorben.
1976 zeichnete Abbados enger Freund Luigi Nono ein kleines Porträt von ihm, das dank zahlloser Einspielungen sowie der von ihm gegründeten Klangkörper unvermindert Gültigkeit besitzen wird: „Deine Kraft ist natürlich, rational, neu…/ wenn das Meer aufbraust, kann nichts widerstehen. / und so bist auch du.“ - Guido Fischer
Deutsche Grammophon
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