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Es ist ein Kreuz mit der Klassik: Je brutaler, enthaltsamer und hardcoremäßig sakraler sie sich gibt, desto besser kommt sie an bei den Heilssuchenden der E-Musik. Die Lust scheint immer größer zu werden, sich von der Klassik fest rannehmen zu lassen. Auch Christian Pluhar, die Jamsession- Domina der Alten Musik, fährt seit dem Erfolg ihres »Teatro d’amore«- Albums die harte Tour. »Via Crucis«, die neuesten Kreuzweg-Gänge der in Leder gewandeten Grazerin, fi letiert und verhackstückt Exerzitien und gestrenge Sätze von vergessenen italienischen Musikpriestern und macht dabei unmissverständlich deutlich: Alte Musik ist das liebste Folterwerkzeug der nachbürgerlichen Gesellschaft. Immer feste druff, aber mit Generalbass.
Man kann die Hingebung der Fans verstehen. Niemand knechtet das Unterhaltungsbedürfnis von uns Medienjunkies so passioniert, gekonnt und abwechslungsreich wie die 44-jährige »Maestra di cappella«, die von der Harfe oder von der Theorbe aus dirigiert. Ihre bizarre Schirmständer- Frisur verrät Selbstironie. Ihr Ensemble L’Arpeggiata hat Schliff, exotisches Flair und erstaunlichen Drive. Auch diesmal leihen wieder Philippe Jaroussky und Nuria Rial mit jungfräulichen Kopf-Flötentönen den Lamenti und Traditionals ihre Stimmen. Wieder jamt und groovt es, bis der Priester kommt. Wieder schmilzt der Zeitabstand zwischen dem 17. Jahrhundert und heute wie Schnee.
Auf der Suche nach einem Lautenlehrer kam Christina Pluhar ursprünglich nach Den Haag und Basel. Bei Ivor Bolton im Bayerischen Staatsorchester muckte sie an der Harfe, bis sie 2000 ihr eigenes Ensemble L’Arpeggiata gründete (benannt nach einer Toccata des Venezianers Giovanni Kapsberger). Der Liebe wegen ging sie nach Paris. Die Hohepriester der Alten Musik mögen erneut die Stirn runzeln. Dennoch gibt es gegen die dogmatisch Darmsaitenfi xierten kein besseres Heilmittel als die Bocksprünge der »Via crucis«. Als leidenschaftliche Alte-Musik-Opfer lassen wir uns von niemandem so gern piesacken wie von der steirischen Domina von der Seine. Amen.
Robert Fraunholzer, 08.02.2014, RONDO Ausgabe 2 / 2010
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