Startseite · Interview · Gefragt
So kann eine Karriere als Pianist auch beginnen: Man schreibt einen freundlichen Brief, legt eine eigene Aufnahme bei – und hofft auf Antwort. Olga Scheps tat dies mit gerade einmal 15, die Aufnahme war die f- Moll-Fantasie von Chopin – und der Adressat kein Geringerer als Alfred Brendel! »Ich war überglücklich über die Antwort«, erinnert sich die heute 23-Jährige. Denn der weltberühmte Pianist schickte nicht etwa ein Autogramm zurück, sondern bot der jungen »Kollegin« seine Unterstützung an. Und seitdem treffen sich die beiden in unregelmäßigen Abständen, um über musikalische Phrasierung und Stilsicherheit, über Textnähe und Interpretationsfreiheit zu reden. Mozart und Beethoven standen dabei genauso auf dem Programm wie Schubert und Chopin.
Nun also wieder Chopin. Ein trüber Oktobertag in Berlin-Dahlem, in der Jesus-Christus-Kirche, jener Kirche mit der legendären Akustik, in der schon Furtwängler, Fricsay und Karajan aufgenommen haben. Olga Scheps, die aus Russland stammende und seit ihrer Kindheit in Deutschland lebende Pianistin, hat ihren ersten Plattenvertrag in der Tasche. Bekanntes wie zwei Walzer und die g-Moll-Ballade, die drei letzten Etüden, zwei Mazurken, frühe und reife Kompositionen. »Viele meiner Lieblingsstücke sind darunter«, erklärt Olga Scheps die Auswahl, »traurig, schwelgerisch, virtuos, die ganze Bandbreite der Emotionen.« Und sie wundert sich selbst über ihre Erfahrungen mit dem Komponisten: »Das ist das Tolle bei Chopin: Bei den Walzern etwa haben wir vier verschiedene Versionen aufgenommen und jede war in sich stimmig.« Anschließend folgte dann die schwierige Aufgabe, gemeinsam mit dem Produzenten Philipp Schulz die tatsächlich beste der Varianten auszuwählen.
Augenscheinlich geht die junge Künstlerin die Aufnahmesitzungen sehr entspannt an. Obwohl schon mehrere Takes der Mazurka zufriedenstellend ausgefallen sind, hängt sie ohne Murren noch ein oder zwei weitere an oder diskutiert mit dem Produzenten über einen unklaren Basston. Olga Scheps selbst nennt die Studioproduktion ein »Selbstgespräch«, während sie im Konzert bewusst den Kontakt zum Publikum sucht: »Dort erzähle ich eine Geschichte von einem bestimmten Moment.« Oder um es anders auszudrücken: »Ich empfinde die Musik wie eine Art Drehbuch und ich selbst bin ein Stück weit die Schauspielerin.« Kein Wunder, dass sie in ihrer Freizeit gerne ins Kino geht! Eine gewisse Anspannung vor jedem Auftritt gehört für sie dazu, um in die richtige Stimmung zu kommen. Ansonsten ist die Pianistin reich gesegnet: Sie sieht nicht nur attraktiv aus, sie besitzt auch erstaunlich große Hände, bestens geeignet für dicke Akkorde und komplexe Mehrstimmigkeit. Und schnell lernen tut sie auch noch.
Ihre ersten Lehrer waren die Eltern, die Mutter als Klavierlehrerin und der Vater als Klavierprofessor an der Hochschule in Rostock. Später kam Olga nach Köln zu Vassily Lobanov, seit 2006 studiert sie in der Obhut von Pavel Gililov, mit dem sie sich je nach Bedarf trifft und dann »manchmal drei Tage hintereinander« arbeitet. Ihr spektakuläres Konzertdebüt – nach diversen Siegen bei Jugend musiziert – gab die 13-Jährige mit Prokofjews erstem Klavierkonzert. Ob sie eine gewisse Sympathie fürs Slawische hat? Das mag man mit Fug und Recht bezweifeln. Denn russisch wirkt an der Pianistin außer ihrem Vornamen herzlich wenig, sie selbst bestätigt das: »Ich fühle mich ganz als Deutsche.« Immerhin ist sie im Elternhaus mit Russisch aufgewachsen und kann die klassische russische Literatur im Original lesen. Und russische Kochrezepte hat sie auch von ihrer Mutter gelernt …
Michael Horst, 22.02.2014, RONDO Ausgabe 6 / 2009
Ich erkenne das Stück nicht mal …! Wagner, ach so. Der geht mir einfach fürchterlich auf den […]
zum Artikel
Schweigen ist Gold
Die Unterstützung des Krim-Referendums hat Gergiev viel böses Blut eingehandelt. Die Forderung […]
zum Artikel
Station auf lebenslanger Reise
Nach knapp einem Vierteljahrhundert spielt Fazıl Say wieder Bach – mit den […]
zum Artikel