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Heidelberger Frühling

Quartett satt

Beim Streichquartettfest des Heidelberger Frühlings werden die Grenzen der Gattung erkundet. Verantwortlich für die unkonventionellen Programme ist die renommierte Konzertagentin und Impresaria Sonja Simmenauer. Jörg Königsdorf verriet sie ihre Gedanken fürs Jahr 2010.

RONDO: Frau Simmenauer, beim Streichquartettfest erklingen viele Werke, die gar keine Streichquartette sind. Was steckt dahinter?

Sonja Simmenauer: Für uns ist das Streichquartett ein Nukleus, dem wir durch solche Programmexperimente näher kommen wollen. Werke wie Schönbergs »Verklärte Nacht« gibt es ja in guten Fassungen für Kammerorchester. Wenn man verschiedene Besetzungen konfrontiert, wird viel klarer, wie scharf und akkurat der Klang eines Streichquartetts ist. Und mit der Philharmonia Végh, einem Ensemble aus drei ungarischen Streichquartetten, haben wir eine Art »Quartettorchester«, das zeigen kann, dass in jedem Stück ein bisschen Quartett steckt.

RONDO: Mit diesem Ensemble als Angelpunkt des Programms ist das Streichquartettfest zugleich eine Hommage an die ungarische Quartettschule. Ist diese Tradition, für die in der Vergangenheit unter anderem das Végh-Quartett oder das Budapester Streichquartett standen, noch lebendig?

Simmenauer: Sie hat sich sogar kaum verändert. In Budapest regiert aller Globalisierung zum Trotz noch immer die alte Welt. Das liegt vor allem an den alten Lehrern wie György Kurtág, die wie Gurus verehrt werden. Zu denen pilgern auch erfolgreiche Künstler noch, um sich mal wieder zur Schnecke machen zu lassen.

RONDO: Wodurch zeichnet sich diese Tradition denn genau aus? Ist es der Klang?

Simmenauer: Es ist mehr eine Unmittelbarkeit, die nie extrovertiert wirkt, sondern bei der selbst die Extreme wie etwas Unentrinnbares, zutiefst Schmerzliches klingen. Das ist sehr depressiv und schattig – der Ungar ist ein scheuer Mensch …

RONDO: Im Zentrum steht mit Bachs »Kunst der Fuge« ein Werk, das entstanden ist, als es das Streichquartett noch gar nicht gab.

Simmenauer: Aber dennoch ist es die Basis für alles Weitere. Inzwischen spielen das viele Quartette für ihr Musikverständnis. Wenn man Musik von Kurtág und Webern hört, hat man doch das Gefühl, dass sie direkt von der »Kunst der Fuge« ausgehen. Natürlich ist das in erster Linie eine intellektuelle Übung – aber mit Ruhepolen. Das Strammstehen mit einem Augenzwinkern zu verbinden, darin war Bach ja ein Meister.

Jörg Königsdorf, 22.02.2014, RONDO Ausgabe 6 / 2009



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