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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Nuria Rial

Ein Wesen leichter Art

Nuria Rial stammt aus einer mit schönen Stimmen reich gesegneten Gegend. Doch im Vergleich mit ihren katalanischen Kolleginnen Victoria de los Ángeles oder Montserrat Caballe ist sie »ein Wesen leichter Art«. Tilman Stamer besuchte die junge Sängerin zu Hause in der Nähe von Basel und sprach mit ihr über ihren Vater, den »Unsinn« katalanischer Abgrenzungspolitik und den »armen Villazón« ...

»Passt«, sagt sich der Besucher insgeheim, als ihm eine kleine, zierliche Frau mit großen dunklen Augen die Haustür öffnet. Von der Stimme auf die äußere Erscheinung, gar auf den Charakter zu schließen, funktioniert bei Weitem nicht immer, doch bei der Sopranistin Nuria Rial scheint die Gleichung aufzugehen. Die Lebhaftigkeit und Beweglichkeit ihres Soprans, die sie bei Monteverdi, Händel oder Haydn zeigt, finden sich im Wesen der jungen Katalanin wieder, etwa wenn sie plötzlich davonhuscht, um eine CD oder einen Stapel Notenblätter herbeizuholen, oder zwischen zwei Gedanken das Zubettgehen ihres kleinen Sohnes koordiniert.
Nach neun Jahren Basel zog es sie und ihren Mann dem Kind zuliebe aufs Land. Im deutschen Grenzach-Wyhlen, mit Basel in Sichtweite, genießt sie zwischen den vielen Reisen das ruhige Umfeld. »Ich komme aus der katalanischen Provinz und mag das Leben mit der Natur.« Dort wuchs sie bei musikbegeisterten Eltern auf, der Vater sang im Chor, jedoch »so laut, dass der Arme seine Stimme verlor«. Das Gesangsstudium der Tochter unterstützten beide von Anfang an bedingungslos – im ländlichen Katalonien keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Ob es sie nicht wieder dorthin zurückziehe? »Im Moment nicht, obwohl ich das Land sehr vermisse. Die Katalanen gehen in ihrer Abgrenzung zu weit, es gibt Schulen, wo Spanisch allenfalls als Fremdsprache angeboten wird. Gott sei Dank habe ich das unter Musikern nie erlebt. Ich glaube, sobald man viel reist und viel sieht, lässt man diesen Unsinn automatisch. « Bei der Frage nach musikalischen Vorbildern kommen dann aber doch zwei Landsleute zur Sprache, zum einen Victoria de los Ángeles (»sie konnte kommunizieren!«) und das berühmte Pianissimo der Montserrat Caballe.
Nach anfänglichen stimmtechnischen Irrfahrten, wo sie viele Lehrer »einfach nur verwirrt« hätten, sei der Knoten dann bei Kurt Widmer in Basel geplatzt, eindeutig ihr prägendster Lehrer. Nach steilem Aufstieg ist Nuria Rial heute eine gefragte Konzertsängerin und arbeitet mit den führenden Ensembles der Barockmusikszene zusammen. Obwohl sie schon mit 22 die Susanna und mittlerweile auch alle »-inas« von Mozart gesungen hat, liegt der Schwerpunkt momentan auf dem Konzertieren: »Opernproduktionen, die mich für Monate in einer fremden Stadt festhalten, kann ich mir zurzeit nicht vorstellen. Aber ich lasse wie immer alles auf mich zukommen, das hat bisher ganz gut funktioniert «, sagt sie und muss über ihr Understatement selbst etwas lächeln. »Ich bin offen für vieles – einmal habe ich sogar unter anderem Namen etwas für eine Mineralwasser-Werbung in Italien eingesungen. Und als Mädchen wollte ich unbedingt Popstar werden, an klassische Arien habe ich gar nicht gedacht.« Sagt eine Frau, die sich in Sachen Alte Musik als Autodidaktin bezeichnet, deren Stimme jedoch scheinbar mühelos und ungemein klangschön durch die Verzierungslabyrinthe des Frühbarock spaziert. Dabei strahlt sie nie kühle Perfektion aus, sondern kommuniziert stets lebhaft mit dem Publikum. »Nachdem ich einige Jahre in die Schublade der spanischen Renaissance gesteckt wurde, habe ich den Händelstempel verpasst bekommen, was mir gar nicht recht ist.« Bei ihrer jüngsten Händeleinspielung mit den innig-frommen »Neun deutschen Arien« war es ihr dann auch wichtig, »einen anderen Händel zu zeigen, intimer, nicht so heroisch, wie man ihn meistens kennt.«
Die Ausflüge zu Haydn und Mozart weisen vielleicht den Weg der nächsten Jahre für Nuria Rial, deren Augen noch mehr als sonst funkeln, wenn sie von Traumrollen wie Verdis Nanetta oder Debussys Mélisande schwärmt. Und dann wäre da noch der Liedgesang ... Aber nur nichts forcieren: »Der arme Villazón! Da sieht man, was passiert, wenn die Stimme zu viel Druck bekommt. Ich habe meine Grenzen, meinen Platz, und muss nichts beweisen. « Nuria Rial hält den Ball angenehm flach …

Neu erschienen:

Händel

Neun deutsche Arien

Nuria Rial, Austrian Baroque Company, Michael Oman

Sony Classical

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Tilman Stamer, 08.03.2014, RONDO Ausgabe 5 / 2009



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