Startseite · Interview · Gefragt
Das Opus ist ungewöhnlich lang. 98 Seiten umfasst es, da lässt sich einiges unterbringen an Ideen, Gedanken, ja Utopien. Doch nicht ein musikalisches Subjekt liegt hier vor, sondern eine Schrift, die ihren Verfasser zum Master im Fach Politik an der Princeton University machte. Und welch ein gleichermaßen grandioses wie schwerwiegendes Thema hat dieser Essay: »Polarization in America: Myth or Reality?« Geschrieben hat ihn ein junger Mann von nicht einmal 24 Jahren. David Aaron Carpenter scheint vom lieben Gott mit mehreren außergewöhnlichen Gaben versehen worden zu sein. Denn nicht nur ist er ein kluges Köpfchen, er spielt auch noch unverschämt gut Bratsche. Wenige Takte des Cellokonzertes von Edward Elgar, das Carpenter in einer eigenen Bearbeitung spielt, die er nach Vorgaben von Lionel Tertis, einem Zeitgenossen Elgars, anfertigte, genügen, um sich davon zu überzeugen. Der Ton ist satt, tragend, beredt, er ist warm, differenziert, kantabel. Zuweilen klingt das Soloinstrument in der Tat wie sein Vorbild, in diesem speziellen Fall wie ein Cello, so tiefsinnig singend. Und man kommt nicht umhin, hier eine geglückte Synthese zweier Interpreten zu vermuten, deren Gegensätzlichkeit kaum größer sein könnte: hier Nobuko Imai, dort Yuri Bashmet.
Beide waren, neben Roberto Diaz, Robert Mann und Pinchas Zukerman, Carpenters Lehrer. Yuri Bashmet, meint er, habe »den wirksamsten Einfl uss« auf sein Spiel gehabt. Die Intensität seines Spiels sowie den üppigen Klang hat er von Bashmet. Von Nobuko Imai hat er die Struktur. Den fl irrenden Ton gab ihm Kim Kashkashian, die Ordnung der Dinge und die Kantabilität Tabea Zimmermann. Die Freiheit indes hat sich David Aaron Carpenter selbst gegeben. Und er weiß auch, warum er sie besitzt. Musik ist nicht seine einzige Leidenschaft, er empfi ndet ebenso viel Glück, wenn er eine mathematische oder physikalische Aufgabe zu lösen hat, oder wenn er eine Erklärung für wirtschaftliche oder politische Phänomene fi ndet. Leider sei das Violarepertoire dünn gesät. Doch als Künstler dürfe er nicht die Beschränkungen sehen, sondern die Möglichkeiten, sagt Carpenter. Und die seien erheblich. In den Bibliotheken fände sich Literatur in unerwarteter Menge und glücklicherweise auch von ungeahnter Qualität, und seine Mission sei es nun, diese große Fülle an bislang unbekannten Stücken der Welt näher zu bringen. Das Vermögen, dies zu tun, hat er.
Rondo Redaktion, 08.03.2014, RONDO Ausgabe 5 / 2009
Musikalische Wiedergeburt
Die Musik von Bachs „Markus-Passion“ von 1731 ist verschollen – doch den Text von Picander […]
zum Artikel
Dass der Theater- und Opernbetrieb chronisch unterfinanziert ist, ist nichts Neues. Wenn aber die […]
zum Artikel
Bogenspannung
Sie haben es wieder getan: 10 Jahre nach dem erfolgreichen Crossover-Projekt „Timeless“ fährt […]
zum Artikel