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Muss nichts beweisen: Sir Neville Marriner (c) icartists
Neville Marriner wäre bestimmt irgendwann beim London Symphony Orchestra einige Plätze nach vorne gerutscht. Und vielleicht hätte er ja tatsächlich den Sprung vom Stimmführer der zweiten Geigen zum Konzertmeister geschafft. Doch rückblickend kam dem Orchestermusiker glücklicherweise der Job als Dirigent dazwischen. Altmeister Pierre Monteux hatte Marriner in den 1960er Jahren dazu animiert. Und wenngleich er da schon über Vierzig war, wagte er die berufliche Luftveränderung. Sie funktionierte auf Anhieb. Nach einigen grundlegenden Kursen bei Monteux übernahm der 1924 in der englischen Grafschaft Lincolnshire geborene Neu-Dirigent die Leitungen des Los Angeles Chamber Orchestras, des Minnesota Orchestras und ab 1986 des Stuttgarter Radiosinfonieorchesters.
Nun ist Marriner, der gerade am 15. April seinen 90. Geburtstag gefeiert hat, das große Glück verwehrt geblieben, viele Orchester aus der internationalen Weltspitze zu dirigieren. Trotzdem kann ihm kein Kollege seinen Platz in der ewigen Bestenliste streitig machen. Denn mit der 1959 eher zufällig gegründeten Mannschaft der Academy of St. Martin in the Fields hat Marriner eine musikalische Grundversorgung hundertfach auf Vinyl und tausendfach im Konzertsaal garantiert, von der heute noch viele zehren. Und selbst in einer Phase, als die historischen Aufführungspraktiker sich so richtig in den Darmsaiten festbissen, hielt Marriner mit einer unaufgeregten Kultiviertheit dagegen, die ihren Höhepunkt speziell in den Mozart-Klavierkonzerten mit Alfred Brendel fand. Natürlich gab es zwischendurch manche, die ihm auch finanziell ungemein erfolgreichen Bread & Butter-Jobs verübelten / neideten - wie etwa der Soundtrack zu Miloš Formans Film „Amadeus“. Doch Marriner war schon immer zu cool, um sich über solche Spitzen aufzuregen. Und so kann er weiterhin, ganz entspannt mit 90 Lenzen, seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen. Im Mai ist er als erster Gastdirigent des katalanischen Orquestra de Cadaqués unterwegs, das 1988 ins Leben gerufen wurde (auf dem Programm steht u.a. ein Mozart-Klavierkonzert mit Martin Stadtfeld). Danach folgen Auftritte mit der Academy of St. Martin in the Fields, die auch in der 28 CDs umfassenden Geburtstagsbox „Neville Marriner - The Argo Years“ (Decca) eine tragende Rolle spielt.
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