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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Wolfgang Amadeus Mozart

La clemenza di Tito

Mark Padmore, Alex Penda, Bernarda Fink, Freiburger Barockorchester, RIAS Kammerchor, René Jacobs

harmonia mundi HMC 801923.24
(135 Min., 11/2005) 2 CDs

Zuerst glaubt der Zuhörer seinen eigenen Ohren nicht zu trauen. So etwas hat die Mozart-Polizei schon lange nicht mehr erlaubt. Jacobs fährt sanguinisch drein und lässt sich doch auch Zeit zu jeder geschmeidigen Überredungs-Diplomatie. Er nimmt sich die Lizenz zum Accelerando con fuoco und zum Rallentando con emozione, obwohl das nicht in der Partitur steht. Sein Ausdruckswille verlangt es, und es macht Sinn, weil das Grundtempo erhalten bleibt. Und die Pauke setzt die unverrückbaren Satzzeichen. Die Syntax bleibt intakt.
Das Orchester leuchtet und ist biegsam wie eine Damaszenerklinge. Doch nie magersüchtig, wie eine auf Reinheit versessene Mozart-Orthodoxie das manchmal will. Natürlich weiß Jacobs, dass Mozart vom Orchester immer "den ganzen Arsch" (O-Ton) hören wollte. Der Chor, wie das Orchester nicht gerade voluminös besetzt, singt trotzdem so, dass nicht mehr zu zweifeln ist: Rom war auch zur Zeit des Kaisers Titus eine Millionenstadt. Die geläufigen Gurgeln der SängerInnen lassen keine Grenzen der Technik, des Stils und des individuellen Wohlklangs erkennen. Sie bekennen sich zu ihren Rollen, Charakteren, Schicksalen in hochgemuter Helligkeit und so passioniert, wie es das Recht junger Menschen ist, die ihrer Liebe und Leidenschaft nicht mehr Herr werden.
"La clemenza die Tito" - plötzlich ein spannendes Kammerspiel vor imperialer Weltkulisse. Keine Opera seria, wie Metastasio, der Dichter des alten Original-Librettos (das für Mozart radikal gestrafft und komprimiert wurde), sich das noch dachte. Keine pflichtschuldige Krönungsoper für Leopold II., die immer irgendwie fehlbewertet wurde im Zwielicht zwischen der gleichzeitig entstandenen "Zauberflöte" und dem nahen Tod des Komponisten. Jacobs und sein Ensemble üben nicht den Gnadenakt der Entstaubung eines vermeintlich gipsernen Monuments, keine pietätvolle Denkmalspflege. Mit Staunen und vielleicht deutlicher als sonst ist etwa zu erleben: Solo-Klarinette, im anderen Fall: Solo-Bassetthorn liefern zu den Vorzeige-Arien des Sesto, der Vitellia keinen virtuosen Beipack - nein: die konzertierenden Solo-Instrumente erheben ihre Stimmen jeweils als das Zweite Ich der singenden Gestalt. Das sind Konflikt-Dialoge auf den Höhen dramatischer Zuspitzung. Und der Pianoforte-Spieler Giorgio Paronuzzi gestaltet den ihm zustehenden Bereich, nämlich die Rezitative, mit soviel Einfallsreichtum und drängender Vehemenz aus, dass nicht zu ermessen ist: wo sind die Grenzen zwischen dem so genannten "Sprechgesang" und den geschlossenen Nummern, was ist aufregender, die Arien, Duette, Ensembles, Chöre - oder die "Recitativi", die die Handlung antreiben, die hier alles andere als "secco", als "trocken" sind.

Karl Dietrich Gräwe, 01.09.2007


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