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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Georg Friedrich Händel

Il trionfo del tempo e del disinganno

Natalie Dessay, Ann Hallenberg, Sonia Prina, Pavol Breslik, Le Concert d´Astrée, Emmanuelle Haïm

Virgin Classics/EMI 363 428-2
(146 Min., 3/2004, 1/2006) 2 CDs

"Der Triumph der Zeit und der Erkenntnis": Das klingt nicht sehr aufregend, zumal "Tempo" und "Disinganno" über "Bellezza" und "Piacere" siegen, über die Schönheit und das Vergnügen. Der junge, in Italien weilende Händel lässt die allegorischen Figuren gemäß des Librettos, das ihm sein Mäzen Kardinal Benedetto Pamphili 1707 für sein zweiteiliges Oratorium liefert, gut zweieinhalb Stunden mit- und gegeneinander disputieren. Wobei die Moral von der Geschicht’ entsprechend ihres Kardinalurhebers natürlich nur lauten kann: Die Schönheit soll sich vom irdischen, vergänglichen Vergnügen abkehren und der zeitlosen Wahrheit zuwenden, die bekanntlich nur im Himmel zu finden ist. Auch die Nummernfolge, in der Händel den Disput austrägt, hebt nicht gerade die Neugier: 24 (!) durch kurze Rezitative getrennte Arien stehen 2 Duetten und 2 Quartetten gegenüber. Wenn dann auch noch das Booklet verrät, Händel habe ein Gutteil der Arien von seinem ehemaligen Hamburger Kollegen Reinhard Keiser abgeschrieben und einen weiteren Teil eigenen Oratorien entnommen, dann legt man die Platten geradezu misstrauisch in den CD-Spieler und fragt sich: wozu diese Aufnahme, gibt es doch bereits wahrlich genügend gute und beste Händel-Oratorien und -Opern!?
Sogleich aber, mit der als Ouvertüre fungierenden Sonata, spätestens mit der ersten Arie der "Bellezza" weicht das Misstrauen Verblüffung und zunehmendem Genuss: Was die am Cembalo agierende Emmanuelle ihrem Ensemble entlockt, sprüht nur so vor Lebendigkeit. Und wie die französische Koloraturgöttin Natalie Dessay ihre "Bellezza" vertritt, das verdient deren Namen in jeder Hinsicht, so mühelos schwebend, mit (immer noch) jugendlichem Timbre und gleichzeitig innerlich lodernd präsentiert sie ihre mitunter höchst anspruchsvolle "Schönheit". Bezeichnenderweise nimmt auch das "Vergnügen" in Gestalt von Ann Hallenbergs Mezzo sofort für sich ein: Ihre hochdramatische und wunderbar geschmeidig agierende Stimme propagiert alles andere als derben Spaß.
Und die beiden Moralinstanzen? Vielleicht hängt der Rezensent zu sehr dem Irdischen nach, aber was die Altistin Sionia Prina als "Erkenntnis" und der Tenor Pavol Breslik als "Zeit" jenen beiden "Genüssen" entgegenstellen können, ist in der Tat vorwiegend Moralinsaures, nicht aber ihre Stimmen mit einem rauhen, kaum gerundeten Timbre. Ob Händel selbst eher dem Irdisch-Schönen als Theologisch-Herbem zugesprochen hat? Das lässt sich mit den Arien über die Vergänglichkeit der Schönheit, die zu den ergreifendsten des Stückes zählen, sowohl abstreiten wie auch belegen. Und wenn es vorher hieß, Händel habe sie von Keiser abgeschrieben, so ist das nur die halbe Wahrheit: Hier war schließlich ein junges Genie am Werk, das die Vorlagen für sich kunstgemäß "aufbereitet" hat, so dass auch mit 24-facher Ansammlung keine Langeweile aufkommt.

Christoph Braun, 01.09.2007


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