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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Fast zehn Jahre hat Mendelssohn am "Elias" gearbeitet und, je näher er dem Ende kam, desto mehr gebastelt und getüftelt. Beflügelt vom Erfolg des "Paulus", fing er an, und fertig wurde er, erschöpft von Überforderung, im Jahr vor seinem Tod. "Elias", Uraufführung 1846 in Birmingham, 400 Mitwirkende, stellte sogar den umjubelten "Paulus" in den Schatten. Trotzdem musste Mendelssohn ein Unbehagen loswerden. Er ließ es an der Sopranistin aus: "Alles … so niedlich, so gefällig, so elegant, so unrein"; und "noch heute toll werden" wollte er über den "liebenswürdigen Ausdruck" der Musik. Als hätte er geahnt, wie man 2003 im Leipziger Gewandhaus den Hausheiligen feiern würde. Die meisten Mitwirkenden haben sich, jeder nach seiner Art, an eines der vom Komponisten benannten Attribute gehalten, als hätte er Vortragsanweisungen erteilt.
Als wäre Elias nicht im ersten Teil des Oratoriums ein gefährlicher Aufrührer, als würde er sich nicht erst jenseits der Mitte einem langen Leidensweg überlassen. Eigenhändig bringt der Prophet auch ketzerische Baalspriester um, seine Wortgewalt lockt den unwilligsten Jahwe aus der Reserve, er tut Wunder und ist resignierender Leidensmann und erlebt am Schluss in einem Feuerwagen seine Himmelfahrt – Feuerzauber wie aus dem Regiebuch, Oratorium, Kantate und nicht zuletzt: Theater.
Sibylla Rubens erfüllt die Engelskriterien, als "Engel" wie als "Witwe", und James Tylor ist ein hell und nasal timbrierter, nicht unangenehmer Tenor. Die herb-düster vibrierende Stimme der Nathalie Stutzmann mag zu einem bestimmten Engelstyp passen und auch zu einer böse agitierenden Königin – aber nicht zu beidem. Und Christian Gerhaher, sonst der gründliche, gewissenhafte Lieddeuter, er lässt sich von der dramatischen Spannweite seiner Rolle auf noble Weise überfordern und erinnert auch darin öfter an Fischer-Dieskau. Herbert Blomstedt betreibt besten Wissens und Gewissens Mendelssohn-Pflege, überspielt wohlmeinend die doch wohl vorsätzlich komponierten bitteren Schärfen und Dissonanzen, lässt all das, was Mendelssohn als Süßlichkeit angekreidet wurde, ohne Gegensatz und Widerspruch. Ihm darf im Konzertsaal alles heilig sein und heil, und ein Theaterdirigent ist er nun mal nicht.

Karl Dietrich Gräwe, 01.09.2007


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