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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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The Impulse Years 1973 - 1974

Keith Jarrett-Quartet

Impulse/Universal IMPD5-237
(270 Min., 1973 - 1974) 5 CDs

Sobald man Pianisten wie Esbjörn Svensson, Brad Mehldau oder Carsten Daerr nach dem frühen Keith Jarrett fragt, nach der ersten Hälfte der 70er Jahre, geraten sie ins Schwärmen. Nicht nur von dessen erster Soloplatte "Facing You" (1972) oder den ECM-Quartett-Aufnahmen mit Garbarek & Co. Stark beeindruckt, wenn nicht gar beeinflusst, hat sie ein Ensemble, das selbst von vielen Jarrett-Fans nicht wahrgenommen wurde, obwohl es zahlreiche spannende Veröffentlichungen gibt.
Aber diese Aufnahmen mit dem Saxofonisten Dewey Redman und einer hochkarätigen Rhythmsection - Charlie Haden am Bass, Paul Motian am Schlagzeug - waren zu rau und experimentierfreudig für viele, die Jarrett wegen seiner Solo-Exkurse und den eher cleanen Popqualitäten seines europäischen Quartetts schätzten. Schon das vielversprechende Doppelalbum "Expectations", das der Pianist 1972 nach seinen Tour-Abenteuern mit Miles Davis für CBS aufgenommen hatte, verstörte die Auftraggeber so nachhaltig, dass sie zwei Wochen nach der Veröffentlichung den Vertrag kippten.
Parallel zu seinen frühen ECM-Einspielungen kam Jarrett mit dem meist um einen Percussion-Gast ergänzten US-Quartett beim Impulse-Label unter. In nur zwei Jahren entstanden dort vier Alben, die nun - um unveröffentlichte Songs und zahlreiche Alternate Takes ergänzt - als fünf (!) CDs der Box "The Impulse Years, 1973 - 1974" erschienen sind. Auf mehr als doppelte Länge von über zwei Stunden erweitert wurde das im "Village Vanguard" aufgenommene Live-Album "Fort Yawuh". Ergiebige vier Sets lang hatten Jarrett und Co. am 24. 2. 1973 ein weites stilistisches Feld beackert: an Ornette Coleman erinnernder Freebop mit wüst aufbegehrendem Redman-Sax; ein dank gelegentlicher Nähe zu Skrjabin und Debussy friedlich stimmender Titelsong; "De Drums" als gospelselig groovende Reverenz an Ramsey Lewis; 20 Minuten starker, bislang nur auf einem Sampler erhältlicher Tobak "Roads Traveled, Roads Veiled" mit Jarrett - damals keine Seltenheit - auch am Sopran-Saxofon.
Manche Kritiker hatten Probleme mit solch exzessiver Experimentierfreude. Dabei wurde all die Vielfalt stets geeint durch einen Hang zu spiritueller Versenkung, zu langem, Atmosphäre betontem Spannungsaufbau, der oft in Erlösungsmomente von hymnischer Schönheit mündete. "Treasure Island", im Februar 1974 im Studio eingespielt, wirkte versöhnlicher mit kürzeren, oft Groove-betonten Tracks, die noch am ehesten "Belonging" nahe standen, jenem nur zwei Monate später entstandenem ECM-Album, mit dem Jarretts europäisches Quartett einen regelrechten Hit landete.
Ganz anders die Impulse-Alben "Death and the Flower" und "Backhand", beide Resultat einer Studiosession im Oktober 1974: Sie landeten allzu bald als "Cut Outs" in der Grabbelkiste. Dennoch beweisen sie einmal mehr die Qualitäten der Sturm-und-Drang-Phase des Quartetts, wenn auch nicht so geschlossen wirkend wie das ECM-Album "Survivors Suite" von 1976, dem im gleichen Jahr noch drei letzte "Abglanz-Alben" folgen sollten: "Eyes of the Heart" (live auf ECM), "Byablue" und "Bop-Be" (im Oktober für Impulse).

Klaus von Seckendorff, 01.09.2007


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