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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Olivier Messiaen

Sämtliche Lieder

Ingrid Kappelle, Hakon Austbo

Brilliant/Joan Records MMK 7448
(112 Min., 5/2004) 2 CDs

22-jährig schrieb Olivier Messiaen 1930 sein erstes Lied. 1945 beendete er mit "Harawi" sein Schaffen für Stimme und Klavier, das ausschließlich auf die Sopranstimme zugeschnitten ist. Es sind insgesamt drei Einzellieder und ebenso viele Zyklen. Doch was auf den ersten Blick angesichts des Lebenswerkes von Messiaens eher übersichtlich daherkommt, ist in der Gestaltungskraft so visionär, wie die Anforderungen fast unerschöpflich reich scheinen. Die Solo-Stimme muss Meditatives auskosten können, Wagner-ähnliche Intervallstrecken zurücklegen und sogar in surrealistisch angelegten Texten durchschlagene Extravaganz beweisen. Und der Pianist? Der hat es nicht wesentlich gemütlicher, ist er doch bei der komplexen Akkordik, Rhythmik und Farbzusammenstellung im ständigen Zugzwang. Umso erstaunlicher schlägt sich die niederländische Sopranistin Ingrid Kappelle mit Unterstützung des Norwegers Hakon Austbo in der Gesamteinspielung, die in nächster Zukunft wohl kaum Konkurrenz zu fürchten braucht.
Auch wenn Ingrid Kappelle vielleicht nicht Organ und Seele so entrückt und einfühlsam in Einklang bringt wie etwa eine Dawn Upshaw, so besitzt sie doch genau das dramatische Gespür und die facettenreiche Schattierungskunst, um den Gehalt von Messiaens selbst gedichteten Liebesbekenntnissen ("Poèmes pour Mi") und den religiösen Feiern ("Chants de Terre et de Ciel") aufregend anzugehen. Dann hört man den Einfluss von Debussy heraus, dann verwandelt sich die fremdartige Schönheit der Lieder in aufreizende Ungetüme, durch die wilde Klangprismen zucken. Verblüffend ist da die Hochspannung im Dauerzustand: Im Zyklus "Harawi", der auf surrealistischen Texten basiert, kommt es mitunter gar zu explosiven Mischungen aus Lautdeformationen und heftigen Arpeggien - mit einer "Répétition planétaire" als Höhepunkt, bei dem Messiaen Wagners Walküren-"Hojotoho" ins Säurebad geschmissen zu haben scheint, während die Tastatur mit maschinenhafter Motorik traktiert wird.

Guido Fischer, 01.09.2007


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