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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Modest Mussorgski, Robert Schumann

Carneval, Bilder einer Ausstellung

Valentina Igoshina

Warner Classics 2564 63427-2
(4/2006) 1 CD

Klassik ist nicht zwangsläufig eine Sache von alten Männern mit Hornbrillen und eingewachsenen Zehnägeln – danke, liebe Majors, das haben wir nach Jahren der am Popbusiness orientierten Promotionkampagnen verstanden. Wir, die wir immer noch, unverbesserlich mit zusammengebissenen Zähnen, in die CDs der neuen Schönen hineinlauschen, ob auch die musikalische Darbietung in allen Punkten eine gelungene ist. Ab und zu, gewissermaßen zur Entspannung, gönnen wir uns einen Blick auf die Fotos im Beiheft. Ja, die junge Russin Valentina Igoshina ist eine sehr schöne Frau. Das Bild, das sie auf einem schwarzen Diwan liegend zeigt, hätten wir gern auch als Poster, wir könnten so ihre alabasterweißen, wohlgeformten Brüste besser erkennen. Dann geht’s wieder an die trockene, entbehrungsreiche Arbeit des Zuhörens: Und siehe da, Frau Igoshina ist auch eine sehr begabte Pianistin; ihre noch jungen Hände kommen gut zurecht mit den immensen technischen Anforderungen, die Schumanns Zyklus "Carneval" an sie stellt: Ihr Spiel ist markant, brillant, sehr klar und oft angenehm widerborstig; sie versteht schon einiges von der Kunst des Rubato, hat schon eine gewisse Vorstellung von der verhangenen poetischen Melancholie Schumanns. Aber der Vergleich mit Arturo Benedetti Michelangeli (ohne Brüste, zum Zeitpunkt der Aufnahme im Jahre 1957 auch nicht mehr ganz so jung) zeigt, dass eben doch noch einiges – um nicht zu sagen: Wesentliches – fehlt: Die Konsequenz, mit der Michelangeli im dichten Satz des "Préambule" auch die Mittelstimmen gestaltet und zur atemberaubenden Weitung des Klangs einsetzt, vermisst man. Die ein wenig unheimliche Stimmung des rauschhaften Vorüberjagens im neunten Satz ("Papillons"), die dem Hörer bei Michelangeli Schauer über den Rücken jagt, erreicht Frau Igoshina nicht annähernd. Und an vielen Stellen des Zyklus fehlt ihr noch die Fähigkeit zur fesselnden Umsetzung der ganz sensiblen, zerbrechlichen Lyrizismen, die Michelangeli dem Hörer direkt in die Seele spielt. Dennoch ist Valentina Igoshina eine vielversprechende junge Nachwuchspianistin mit einem großartigen Kapital, das momentan nur noch nicht das Höchstmaß an Zinsen abwirft. Wir hoffen, dass sie das, was sie den Hörern daher derzeit musikalisch noch schuldig bleiben muss, nicht anderweitig auszugleichen sich angewöhnt. Ihrer Schallplattenfirma würde sie dadurch sicher schnell viel Geld einbringen – aber ihren eigenen Weg würde sie möglicherweise verfehlen.

Michael Wersin, 01.09.2007


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