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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Gelegentlich erfrischt es, den moralstarken Satz "Verbrechen zahlt sich nicht aus" in einem Kunstwerk außer Kraft gesetzt zu sehen - denn auch im Leben trifft er häufig nicht zu. "Baulöwe" Jürgen Schneider musste zwar ins Kittchen, aber nicht annähernd so lang, wie man ihn sich dort gewünscht hätte, nachdem er zirka dreitausend mittelständische Betriebe in den Ruin getrieben und die Deutsche Bank als "Peanuts" fressenden Affen demaskiert hatte (was ihn für nicht Betroffene zum Schelm machte - also schon wieder halbwegs gut!).
Jacques Offenbachs Operette "Die Banditen" zeigt denn auch eine Rotte ganz normaler Gesellen, deren Tagwerk eben nicht das Schneidern von Röcken oder das Backen von Brot ist, sondern das Ausrauben von Pfeffersäcken und das Kidnappen von reschen Bauernmädels. Das hat schon fast was von Brechts "Dreigroschenoper", wie hier die Gauner in Schutz genommen werden gegen windige Bankiers, völlige Unfähigkeit dank Nepotismus bei Hofe und eine marode, kaum motivierte Armee. Neun Monate nach der Uraufführung von "Les Brigands" schlug das "wahre Leben" übrigens im Sinne Offenbachscher Militärverachtung wieder zu: in der jämmerlich verlorenen Schlacht von Sedan.
Noch wichtiger allerdings als Offenbachs "Moral" ist der ästhetische Vorsprung der "Banditen": "Ich möchte Situationen in Musik setzen und nicht Couplet auf Couplet", schreibt er seinem Librettisten Halévy. "Ohne Situation wird die Musik absurd und langweilig für das Publikum." Weg also von der Vaudeville-Revue und hin zur starken Geschichte, die sich in ebenso starker Musik manifestieren soll.
Die Aufnahme des Westdeutschen Rundfunks wurde bereits 1980 eingespielt, aber das schmälert ihr Verdienst weder technisch noch interpretatorisch. Und auch wenn uns der Franzose Marc Minkowski jüngst mit spritzigen Originalfassungen Offenbachs verwöhnte (siehe Rezension), kommt diese deutsche Version von Ernst Dohm doch gelegen - außer einer Handvoll unidiomatischer Wort/Musik-Relationen gibt sie keinen Grund zur Klage. Im Gegenteil: Das gegenüber dem Französischen etwas schwerfälligere Deutsch erhöht den Witz des Geschehens häufig noch.
Auch die Besetzung ist nicht zu tadeln: Hubert Möhler als gewitzter Räuberhauptmann Falsacappa, Eva Csapo als seine stimmmächtige Tochter, Evelyn Künneke in der Hosenrolle des Schatzmeisters Antonio und, als Herzogin, die attraktiv verblühte Wagner-Stimme Martha Mödls: Selten wird ein so "richtiges" Ensemble zum Paket geschnürt. Die CD ist ein reines Vergnügen - mit genügend Unreinheiten, die das "reine" Vergnügen überhaupt erst ausmachen.

Thomas Rübenacker, 01.09.2007


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