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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Sergei Rachmaninow

Klavierkonzerte Nrn. 1 und 4 (Urfassungen)

Alexander Ghindin, Philharmonisches Orchester Helsinki, Vladimir Ashkenazy

Ondine/Note 1 ODE 977-2
(61 Min., 3/2001) 1 CD

Die Rezeptionsgeschichte der Musik Sergei Rachmaninows erzählt von vorschnellen Urteilen, von Unkenntnis und nicht selten von Häme. Rachmaninows Reaktionen waren geradezu rührend unsicher. Schon die Striche, die er selbst im dritten Klavierkonzert vornahm, hinterließen scharfe Brüche.
Das ist aber nichts neben der fast tragischen Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des vierten Konzertes. Kommentare in der Literatur sind vernichtend. Ein "bleicher Geist neben seinen Vorgängern", oder gar ein "ermüdender, unbedeutender Eintopf" sei das Werk. Selbst im "Grove" liest man, das Konzert sei eine Art Aufbruch zu neuen Ufern, der von Anfang an ein Irrtum gewesen sei. Das Problem ist, dass sich diese Hinrichtungen auf eine der beiden teilweise verstümmelnden Bearbeitungen Rachmaninows beziehen. Die schwersten Amputationen erduldete das 1917 noch in Russland komponierte Werk 1927. Die Fassung von 1941 gleicht einer weiteren virtuosen Aufpolierung.
Hier kommt die Ersteinspielung der Urfassung, die zeigt, dass der Komponist sein Werk nicht zu dessen Vorteil um über 150 Takte (!) gekürzt hat. Schon im ersten Satz hören wir eine harmonisch unglaublich komplexe Ausweitung des ersten Themenfeldes mit dem zwanghaften "Dies-irae"-Zitat. So ist eine viel bessere Balance zwischen Exposition und der riesenhaft getürmten Durchführung erreicht, die die Exposition in den späteren Fassungen völlig niederdrückt. Der Solopart ist in dieser Durchführung weniger glanzvoll, sondern motivisch stärker mit dem Orchester verzahnt.
Mit dieser Version hätte Michelangeli nicht so glänzend auftrumpfen können, wie es ihm in seiner legendären Einspielung der 1941-Fassung gelang. Dass Rachmaninow sein Konzert tatsächlich immer knalliger aufgemacht hat, verrät die Überleitung zum Finale. In den späteren Fassungen ein etwas ordinärer Schlagzeugauftakt, hören wir hier ein gedehntes, polyfones, tastendes Gespinst, aus dem sich das flinke Thema langsam herausarbeiten muss. Überhaupt ist das Finale eine völlig andere Komposition mit einer herrlichen Durchführung. Die späteren Versionen verarbeiteten nur Fragmente, so scheint es. Eine überaus sorgfältig musizierte, für das Rachmaninow-Verständnis wichtige Veröffentlichung.

Matthias Kornemann, 01.09.2007


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