Nebenbeihören geht nicht. Dazu sind die elf Stücke der Band um den Gitarristen David Torn zu aufwühlend, eruptiv und collagenhaft. Der Amerikaner, der scheuklappenlos Filmmusiken schreibt und mit Musikern wie Ryuichi Sakamoto, Mark Isham, Tori Amos, David Sylvain, David Bowie oder John Legend zusammenarbeitet, erkundet auf "Prezens" elektroakustische Klangwelten jenseits der Genregrenzen. Wer sich Zeit lässt, den Spannungsbögen zu folgen und die Muster hinter den überraschenden Ereignissen nachzuempfinden, entdeckt verborgene Strukturen, die jeder der vier Akteure zwar im Kopf weiterspinnt, durch Auslassungen jedoch verschleiert. Dieses Hin und Her von Erfüllung und Enttäuschung fasziniert, und oft kommen auch Erinnerungen an Figuren des Avantgarderock, der freien Rockszene und des Heavy Metal auf. Der Keyboarder Craig Taborn ist ein Traumpartner für diese Klangmixturen, indem er Sounds von Hammondorgel, Fender Rhodes Piano, dem fast schon vergessenen Mellotron und anderen Instrumenten ins Geschehen streut, grundiert, aus dem Hintergrund gestaltet oder führt. Der Altsaxofonist Tim Berne, einer der kreativsten Köpfe im Feld zwischen Jazz und Neuer Musik, steuert wohlige Sequenzen und schrille Klangschreie bei, und Tom Rainey unterlegt mit einem Klangspektrum zwischen Garage und audiophil komplexe und höchst simple Rhythmen. Die vier entführen in Rockschuppen und einsame Höhlen, in Auditorien und intime Innenräume, an indo-country-Lagerfeuer und in sakrale Gefilde. Kaum haben sie eine Klanglandschaft näherungsweise umrissen, sind sie schon beim Aufbau der nächsten. Das strengt an – und vermittelt tiefe, einzigartige Erlebnisse.

Werner Stiefele, 01.09.2007

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