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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Johann Sebastian Bach

Sonaten für Geige und Cembalo BWV 1014 - 1019

Giuliano Carmignola, Andrea Marcon

Sony 94692
(94 Min., 00/2007) 2 CDs

Der berühmteste musikalische Perückenträger war ein konservativer Vollender, der nichts wirklich Neues, gar Revolutionäres hervorgebracht hat: Das ist eine jener Standard-Ansichten zu Bach, die weder falsch noch richtig sind. Exemplarisch zeigen dies die sechs Sonaten für Violine und Cembalo, die Bach vermutlich Anfang der zwanziger Jahre des 18. Jahrhunderts, gegen Ende seiner Köthener Zeit, schrieb.
Zwar folgen sie in ihrer Mehrzahl der tradierten, von Corelli bereits zur Blüte gebrachten Satzfolge der Kirchensonate (langsam-schnell-langsam-schnell), wobei die beiden schnellen Sätze typischerweise meist fugiert sind. Was Bach jedoch jedem Satz an individuellem Ausdruck und Ausdruckstiefe mitgegeben hat, das war ebenso "unerhört" wie die Gleichberechtigung des bislang nur als Begleitinstrument fungierenden Cembalos mit der Geige. Beides macht diesen Sechser-Zyklus zum Gattungspionier der klassischen Violinsonate. Dass Bach sich im übrigen auch am Immergleichen der Satzfolge gestoßen hat, zeigen die mehrfach überlieferten Experimente der letzten Sonate.
Es scheint zunächst eine pure Äußerlichkeit der Neuaufnahme: Aber schon Wolf Erichsons Aufnahmetechnik erlaubt es dem Hörer, jene Gleichberechtigung wunderbar plastisch mitzuerleben. Andernorts zirpt irgendetwas im Hintergrund, der Dialog insbesondere der rechten Cembalo-Hand mit der Violine ist nur zu erahnen. Hier wähnt man sich dagegen in einer idealakustischen fürstlichen Kammer, in der sich das Zwiegespräch, das Carmignola und Marcon führen, bestens mitverfolgen lässt.
Wie subtil die beiden Italiener dieses Zwiegespräch führen, das zeigen schon die ersten Takte der h-Moll-Sonate: mit "Bedacht", das heißt mit dem Wissen um die Genialität dieser ergreifend ernsten Adagio-Eröffnung, zelebriert Marcon die Cembalo-Terzen und -Sexten, in die sich Carmignola nahezu unmerklich mit einem wunderbar langsam intensivierten Crescendo "einmischt" - wortwörtlich im Sinne der Klangfarbe: Wie kaum irgendwelche barocken Kammermusik-Takte liefern diese hier ein trifftiges Argument für das warme, sonore Timbre einer Barockgeige. (Und mit etwas Fantasie kann man Ennio Morricones "Spiel mir das Lied vom Tod" hier verorten!)
Carmignolas weiches, inniges, gleichwohl vibratoarmes Legatospiel, das leidenschaftlich aufblühen kann, ohne romantisch zu schwelgen, macht die drei Moll-Werke, besonders das für Bach so bedeutsame in f-Moll, zu den Juwelen (auch) dieses Zyklus - wären da nicht jene beiden Adagios aus dem E-Dur-Werk, die hier vollendet grazil und geradezu sphärisch entrückt gerieten. Dass schließlich die schnellen fugierten Sätze nicht zu überhasteten Wettkämpfen verkamen und in der Virtuosität ihre Eleganz bewahrten, passt zur Erstklassigkeit dieser italienischen Bach-Sicht.

Christoph Braun, 01.09.2007


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