Das Mississippi-Delta war in Cassandra Wilsons Musik seit "Blue Light ‘Til Dawn", ihrem 1993er Debüt bei Blue Note, immer präsent gewesen. Aus dem erdverbundenen Wimmern von Slide-Gitarren, dem gelegentlichen Sägen von Hinterwald-Geigen und dem Esperanto der Delta-Lokalspezialität namens Blues formte sich die in Jackson/Mississippi geborene Vokalistin ihre eigene Volksmusik. Diese Rückbesinnung auf Folklore-Minimalismen war es, die ihr den künstlerischen Durchbruch bescherte, nach all den nervösen Experimenten mit urbanen Formen des Jazz, die sie in der Zeit zuvor im Versuchslabor des New Yorker M-BASE-Kollektivs durchgeführt hatte. Dafür wurde sie 2001 vom "Time"-Magazin gar zur besten Sängerin Amerikas ernannt.
Warum seinen Personalstil ändern, wenn man damit überaus erfolgreich ist? Das wird sich Frau Wilson gedacht haben, die mit "Glamoured" wieder mal abseits der breit getrampelten Pfade des Mainstream-Jazz in den Jagdgründen von Pop, Blues oder Country wildert. Stings "Fragile" gurrt sie nun, Bob Dylans "Lay Lady Lay" oder Muddy Waters "Honey Bee". Dazu erklingt zuweilen die Mundharmonika Gregoire Marets; man hört viel Percussion, Lagerfeuer-Gitarren, Banjos und auch mal ein Waschbrett. Den dazugehörigen Bauch liefert die Sängerin selbst, mit ihrer dunklen Stimme aus den Tiefen des Leibes. Natürlich kann man für jeden Künstler dankbar sein, der mit eigener Ästhetik dem Jazz neue Klangwelten erschließt. Aber man darf durchaus genervt einräumen, dass Wilson seit ihrer begnadeten Miles-Davis-Hommage "Traveling Miles" von 1998 auf der Stelle tritt. Von Stil zu Manier ist kein weiter Weg. Vielleicht wird’s doch langsam Zeit, dem Mississippi adieu zu sagen.
Josef Engels, 01.11.2003
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