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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Aura

Miles Davis

Columbia Legacy/Sony 5 099706 396222
(67 Min., 1/1985, 2/1985) 1 CD

1984 wurde Miles die Ehre zuteil, als erster Jazzmusiker mit dem dänischen Sonning-Musikpreis ausgezeichnet zu werden, der zuvor Strawinsky, Messiaen und Bernstein dekoriert hatte. Eigens zur Verleihung hatte der Trompeter Palle Mikkelborg eine mehrteilige Big-Band-Komposition realisiert, deren letzter Satz aus einem kleinen Solokonzert für Miles Davis bestand. Doch eigentlich war das ganze Stück eine einzige Hommage Mikkelborgs an sein musikalisches Idol: Die Tonfolge, von der alle Motive abgeleitet sind, basiert auf den Buchstaben von dessen Vor- und Nachnamen, und die Sätze sind nach den Spektralfarben benannt, aus denen sich Miles' (musikalische) Aura zusammensetzt - alles basierend auf Mikkelborgs rein akustischen Eindrücken von Miles, denn die beiden hatten sich zuvor nie getroffen.
Der musikalische Teil der Zeremonie wurde ein rauschender Erfolg, zumal Miles' Ansatz sich seit seinem Comeback drei Jahre zuvor wieder soweit verbessert hatte, dass er außer seiner Soundmagie auch wieder einige Geläufigkeit zu Stande brachte - und mehr als das: Obgleich nach wie vor gesundheitlich beeinträchtigt, schien er den Spaß an der Musik wieder gefunden zu haben, der ihm im Laufe der Siebziger abhanden gekommen war.
Hier erst setzt die Geschichte dieser Platte ein: Wochen später meldete sich Davis, der zwischendurch "You're Under Arrest" fertiggestellt hatte, telefonisch bei Mikkelborg: "Aura" habe ihn nicht losgelassen, und ob es nicht möglich sei, davon eine Aufnahme zu machen. Er könne sich auch vorstellen, in anderen Teilen des Werks Soli zu blasen. Mikkelborg machte sich umstandslos an die Arbeit und gestaltete sein Werk nach Rücksprache mit Miles um.
Mikkelborg zeigte außer einer Vorliebe für abstrakt anmutende Bläsersätze keine Berührungsängste gegenüber Funkbässen und kühlen Synthesizersounds, Klängen also, die in Miles' alten Orchesteraufnahmen mit Gil Evans noch gar nicht vorkommen konnten. Miles setzte seinen Neffen Vince Wilburn hinter das elektronische Schlagzeug - übrigens der einzige Aspekt der Aufnahme, welcher heute bereits veraltet wirkt. Das subtile Spiel der Perkussionistin Marilyn Mazur gefiel Miles derart gut, dass er sie wenig später für seine Band verpflichtete. Schließlich wurde für einen Aufnahmetag Miles alter Mitstreiter John McLaughlin, der gerade in Kopenhagen zu tun hatte, ins Studio gebeten.
Das Ergebnis geriet musikalisch erstklassig, war aber stilistisch nicht einzuordnen: Außer Mikkelborgs gleich starker Liebe zum Jazz wie zu Olivier Messiaen (dessen Musik Miles auf diesem Umwege kennen und schätzen lernte) sind darin Rock- und Weltmusikeinflüsse auszumachen. Die Herren von Columbia, seit dreißig Jahren Miles' Plattenfirma, reagierten verstört und weigerten sich, die Platte herauszubringen. Der Bruch war unvermeidbar, die Aufnahme erschien dann doch noch, wenn auch mit vier Jahren Verspätung.

Mátyás Kiss, 01.09.2007


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