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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Ton Koopman hat, so war neulich zu hören, mittlerweile das gesamte Kantatenwerk Bachs eingespielt; die Musik der noch ausstehenden fünf Folgen nach der vorliegenden fünfzehnten ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt also schon komplett "im Kasten". Zur Orientierung innerhalb der locker chronologisch angelegten Gesamteinspielung: Teil fünfzehn enthält im Wesentlichen Kantaten aus dem letzten Abschnitt des zweiten Leipziger Jahrgangs 1724/25, der von Bach wohl eigentlich komplett als hinsichtlich des Kantatentypus einheitlicher Choralkantatenzyklus geplant war. Allerdings führte er ihn nicht in diesem Sinne zu Ende - er hätte bis zum Trinitatissonntag 1725 fortgesetzt werden müssen - , sondern unterbrach ihn überraschend bereits am 25. März (mit der in Folge 13 enthaltenen Kantate BWV 1): Die Forschung geht heute davon aus, dass er seinen (unbekannten) Textdichter verloren haben muss. Statt weiterer Choralkantaten schließen sich formal unterschiedlich gehaltene Werke auf Textbücher verschiedener Dichter an, unter denen die Gottsched-Schülerin Christiane Mariane von Ziegler mit neun Texten breiten Raum einnimmt.
Als Nachklang auf den eigentlichen Choralkantaten-Zyklus enthält diese Box noch die wundervolle Kantate BWV 3 "Ach Gott, wie manches Herzeleid" mit ihrem herbstlich gestimmten Eingangschor, der strukturell u. a. durch eine im melodischen Geschehen verborgene Lamento-Figur und durch ausdrucksstarke Seufzermotivik geprägt ist; BWV 3 enthält auch die abgründig chromatische Bassarie "Empfind ich Höllenangst und Pein", in der der unverdrossen auch in Folge 15 als einziger Bassist besetzte Klaus Mertens stellenweise ein wenig rau klingt; in bester Form präsentiert er sich allerdings in der mächtigen Eingangsarie von BWV 168 ("Tue Rechnung! Donnerwort").
Mit BWV 146 enthält diese Box eine besonders spektakuläre Kantate, basieren ihre beiden ersten Sätze (Sinfonia und Eingangschor) doch auf einem verschollenen Violinkonzert, das als Bearbeitung für Cembalo überliefert ist (BWV 1052) und als Orgelbearbeitung Eingang in BWV 146 gefunden hat. Eigenartigerweise ersetzt Koopman in der Altarie dieser Kantate dann gleich auch die Solovioline durch obligates Orgelspiel, während Bachforscher Christoph Wolff, der "künstlerische Berater" des gesamten Projekts, im Beihefttext geradezu das Gegenteil behauptet und explizit von der Solovioline spricht - vielleicht hat die Intensität der Zusammenarbeit über die Jahre in wenig nachgelassen!? Ansonsten ist der recht gut geglückte Einstand von Sandrine Piau als Sopranistin zu vermelden; sie taucht lediglich in zwei Duetten auf und macht sich neben ihren bacherfahreneren Partnern recht gut. Bogna Bartosz als einzige Altsolistin agiert geschlossener, weniger pastos und insgesamt "barocker" als in früheren Folgen; Chor und Orchester liefern die gewohnte Qualität, die mittlerweile nicht mehr eigens kommentiert zu werden braucht.

Michael Wersin, 01.09.2007


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