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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Anne-Sophie Mutter läuft bei diesen beiden Konzerten zu einer Darstellungsform auf, wie ich sie von keiner ihrer bisherigen Aufnahmen kenne. So gefährlich eine derart fokussierende Feststellung auch sein mag, sie bleibt auch nach der x-ten Versuchung, sie zu "entschärfen", so stehen.
In beiden Fällen sind es bei der Geigerin zunächst die Eindrücke eines durch nichts gehinderten Freiheitsgrades bei der Umsetzung ihrer Vorstellungen. Anne-Sophie Mutters Aussage "Ich nutze gern die ganze unbegrenzte Farbpalette der Geige" lässt sich bei all ihren bisherigen Aufnahmen mehr oder weniger verifizieren, doch erweckte die Umsetzung - nicht nur beim Rezensenten - allzu oft den Eindruck der Willkürlichkeit, der Deformation der Musik (nicht unähnlich Dalis zerfließender Uhren - insofern divergieren sicher Mutters und vieler Hörer Vorstellungen). Hier jedoch, bei Korngold (Studio-Produktion) mehr noch als bei Tschaikowski (Live-Produktion), ist der Einsatz der Mittel stimmig, formgebend, sinnstiftend. Sie spielt dabei mit ihrer Intensität, ihrer Unbedingtheit und ihren diese Eigenarten restlos ermöglichenden Technik Geiger wie Shaham, Vengerov, Bell oder Josefowicz glatt an die Wand. Als Hörer bemerkt man erst recht spät, dass man eigentlich schon einige Zeit lang "den Atem angehalten" hat.
Was die beiden Einspielungen vollends zum Ereignis macht, sind die Leistungen der Orchester (Tschaikowski: Wiener Philharmoniker, Korngold: London Symphony Orchestra) unter André Previns Leitung. Korngolds aus einigen miteinander verwobenen Filmmusiken und mit sicherem Sinn für Publikumswirksamkeit komponiertes, dabei für Solist und Orchester extrem anspruchsvolles Konzert, ist sicher keines mit "philosophischem Tiefgang". Was allerdings die Interpreten dabei entfesseln und die Aufnahmetechniker und Tonmeister aufgefangen und aufbereitet haben, ist ein bacchantisches, die Grenzen normaler Wohnräume sprengendes Klangfest.
An Tschaikowskis Schlachtross geht man vielleicht mit noch gespannterer Erwartungshaltung heran. Was soll man aus einem so ausgepressten Konzert noch herausholen? Das voreilige Vorurteil muss man sehr bald revidieren. Anne-Sophie Mutter geht souverän mit Spannungsverläufen und der "kinetischen Energie" der Musik um und spendiert noch einen gekonnten Schuss Glamour - und dies alles mit schonungslosem Zugriff.
Zusammen mit Frank-Peter Zimmermanns hochkarätiger Einspielung dürfte das "Spannungsfeld Tschaikowski-Konzert" bis auf weiteres konkurrenzlos abgedeckt sein.

Wolfgang Wendel, 01.09.2007


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