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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Giuseppe Verdi

Pezzi sacri (Geistliche Stücke): Stabat Mater, Laudi alle Vergine Maria, Te Deum, Ave Maria, Libera me

Carmela Remigio, Chor der Oper Zürich, Orchester der Oper Zürich, Myung-Whun Chung

Deutsche Grammophon 469 075-2
(63 Min., 9/2000) 1 CD

Nun also Verdi. Was wird man aus ihm machen in diesem Todesjubeljahr? Die Deutsche Grammophon und Myung-Whun Chung suchen eine Antwort löblicherweise zunächst auf den kleineren, vergleichsweise wenig ausgetretenen Pfaden der Pezzi Sacri, der Geistlichen Werke jenseits des Requiems.
Es sind Spätwerke in des Wortes qualitativer Bedeutung, die Verdi auf der Höhe seines Schaffens zeigen: als eigenwilligen Synthetiker, der seinen jahrzehntelang ausgefeilten operndramatischen Stil mit intensiven Studien zur Alten Musik verschmolz. Wie das Requiem, so warten auch diese in ihrer Ausdehnung relativ kleinen Werke mit einer überwältigenden Ausdrucksfülle auf - und stellen damit seit jeher das Rätsel, wie jemand, der sich selbst als religionsfernen Agnostiker bezeichnete, eine derart tiefgründige religiöse Musik schreiben konnte.
Myung-Whun Chung nimmt Verdis Warnungen vor einer allzu opernhaften Interpretation seiner geistlichen Werke ernst: Hier hätten Schluchzer und leidenschaftliche Akzentsetzungen nichts verloren. In Eduard Hanslicks Worten: "Wenn eine Sängerin Jesum Christum anruft, so darf man nicht meinen, sie schmachte nach ihrem Geliebten!" Gottlob enthalten sich denn auch vor allem die singenden Akademie-Damen eines überschäumenden Tremolierens und bewahren so ihre "Laudi" und ihr "Ave Maria" von 1889 vor allzu großer Süße.
Mit Chung befolgt endlich wieder ein Dirigent Verdis Anweisung, dieses "Ave Maria" entgegen dem Wunsch seines Verlegers Ricordi von den drei anderen, 1896/97 geschriebenen "Pezzi sacri" zu trennen. Die allseits so genannten "Quattro pezzi" sind also eigentlich die "Tre pezzi sacri", in denen die A-cappella-"Laudi" vom sinfonisch-orchestralen "Stabat Mater" und "Te Deum" eingerahmt werden.
Diese Ecksätze formt Chung zur mustergültigen Synthese, in der beides bestens aufgehoben ist: filigrane Linienführung und klangmächtige Entladungen, die innige Anbetung und die Requiem-Reminiszenzen der "Höllenqualen" und prachtvollen Sanctus-Preisungen. Von dieser Orchesterarbeit kann ich nur schwärmen: vor allem die Tutti sind nie einfach nur laut oder "fett", sondern breitwandig aufgefächerte Klangspektren.
In Carmelia Remigio hat Chung eine schlank, fast jugendlich intonierende Sopranistin zur Seite, die ihre beiden "Ave-Maria"-Gesänge mit der nötigen Unschuld und einer betörenden Zartheit anstimmt. Im "Libera me" allerdings, das hier interessanterweise in der etwas "vereinfachten" Urfassung vorgestellt wird, fehlt ihr einiges an Volumen und Schwärze und somit ihrem "Flehen" um Erbarmen vor der ewigen Verdammnis die schauerliche Tiefendimension.
Gleichwohl: Dank Myung-Whun Chungs dramatisch drängendem Impetus wird dem Hörer, auch dem religiös unbedarften, mancher heilige Schauer über den Rücken laufen.

Christoph Braun, 01.09.2007


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