Kaum ein Jahr nach der Uraufführung von Vaughan Williams' Sechster Sinfonie entstand diese Aufnahme - übrigens nicht die erste, die stammt von Leopold Stokowski und wird hoffentlich bald wiederveröffentlicht werden. Adrian Boult, der die Sinfonie im April 1948 aus der Taufe hob, interpretiert dieses zerrissene und geheimnisvolle Werk mit dem Feuereifer des Evangelisten. Eine solch mitreißende Verve hat der gewissenhafte, aber gelegentlich ein wenig fad wirkende Dirigent in seiner späteren Aufnahme des Stücks (EMI) nicht mehr aufgebracht. Vom aufbrausenden Kopfsatz über das dunkel brütende Moderato und das sardonische Scherzo bis hin zu den elf Minuten des mysteriösen, in fahlen Farben gezeichneten Pianissimo-Epilogs (der, sehr zum Ärger des Komponisten, einige Kommentatoren an eine vom Atomkrieg verwüstete Landschaft denken ließ) spannt Boult einen großen dramaturgischen Bogen, der sowohl die Architektur plausibel darstellt als auch den emotionalen Gehalt in all seinen Extremen überzeugend auslotet. In seiner Interpretation kommt Vaughan Williams' Sechste als eine der individuellsten Sinfonien der Nachkriegszeit zu ihrem Recht.
Direkt anschließend findet sich außerdem eine Rarität: die ursprüngliche Version des Scherzos. Vaughan Williams hatte den Satz 1950 revidiert, und Boult spielte daraufhin die neue Fassung ebenfalls ein, um sie in seine Aufnahme der Sinfonie zu integrieren. Kein Freund der Musik des englischen Komponisten wird also an dieser CD vorbeikommen.
Nur unerschütterliche Vaughan-Williams-Fans dürften hingegen am "Song Of Thanksgiving", einer recht simplen und platten Kantate zur Feier des Kriegsendes, Freude finden. Dafür gibt es als Zugabe eine sehr einfühlsame Interpretation der Violinromanze "The Lark Ascending", einer von Vaughan Williams' lyrischsten und nostalgischsten Kompositionen.

Thomas Schulz, 01.09.2007

---

Diese CD können Sie kaufen bei:

---

---

Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.

---