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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Johann Sebastian Bach

Klavierkonzerte

Güher Pekinel, Süher Pekinel

Warner 2564 61950-2
(58 Min., 6/2003) 1 CD

Was tut ein vielbeschäftigter Komponist, der jeden Sonntag eine Kantate aufführen muss, wenn er seine begabten Söhne, die hervorragend Cembalo spielen, in einem Konzert vorstellen möchte? Zeit, um neue Konzerte zu schreiben, ist nicht vorhanden. So bearbeitet er schon vorhandene (z.B. das für zwei Violinen oder das für Violine und Oboe) zu Konzerten für zwei Cembali und führt sie dann mit seinen Söhnen Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel und dem Collegium Musicum im Zimmermannschen Café-Haus auf. So tat Bach, und etwa so müssen wir uns die Entstehung der Cembalokonzerte vorstellen. Es sind also schon Bearbeitungen (bis auf das C-Dur-Konzert), und wenn man sie nun auf modernen Flügeln wiedergibt, handelt es sich sozusagen schon um den dritten Aufguss, und damit haben wohl nicht nur Teetrinker ihre Probleme. Cembalo oder Klavier - das ist hier die Frage. Auch eingefleischte Originalklangfanatiker müssen zugeben, dass man den Bach'schen Solowerken mit dem modernen Klavier - das zeigen die Aufnahmen großer Pianisten wie Glenn Gould oder Murray Perahia - neue Seiten abgewinnen kann, die dem Cembalo verschlossen sind. Anders steht es bei den Konzerten, zumal denen für zwei oder mehr Cembali. Hier geht es auch um die Mischung von Streichern und Tasteninstrumenten, und da bringen die Steinways mit ihrem deutlich dickeren Klang kaum ein befriedigendes Ergebnis. Jede Durchsichtigkeit, die man mit Cembalo und Originalinstrumenten so leicht erreichen kann, ist dahin. Das Problem ist den Pekinel-Schwestern natürlich bewusst, und sie steuern gegen: mit einem (fast) permanenten non legato in den schnellen Sätzen versuchen sie Klarheit zu schaffen. Aber wo bleiben nun die Schönheiten und der Sinn von Bachs arabeskem Figurenwerk, das schon Debussy so bewundert hat? Wir hören sie nicht. Unartikuliert und unphrasiert laufen die Sätze ab. Dabei wird durchaus frisch und mit einigem Drive musiziert, woran das Zürcher Kammerorchester unter Howard Griffith einen lebhaften Anteil hat. Man würde gern mehr von ihm hören, doch der Tonmeister hat es im Hintergrund versteckt - und dazu die massiven Steinways! In den langsamen Sätzen, wo das Orchester fast nur begleitet oder ganz schweigt, lassen die Zwillingsschwestern dann ihrer Empfindsamkeit freien Lauf, und das nicht gerade im barocken Tonfall. Im Adagio des C-Dur-Konzertes treiben ihre Rubati erstaunliche Blüten. Und warum nur vertrauen sie dem tragfähigen Klang ihrer Steinways so wenig und glauben, mit hinzugefügten manierierten Trillern die langen Töne am Leben erhalten zu müssen? Nicht ernst zu nehmen ist das Konzert d-Moll für drei Cembali, gespielt von den beiden Zwillingsschwestern, die hier wohl ihr künstlerisches Gewissen eingebüßt haben: mit Playbacktechnik wurde das dritte Klavier nachgeliefert, ein mehr als fragwürdiges Verfahren. Folgerichtig könnten dann Nicht-Zwillinge die ganzen Doppelkonzerte alleine spielen, was für Aussichten! Insgesamt also nichts für Bach-Puristen, empfehlenswert allenfalls für Cembalo-Allergiker.

Martin Neumann, 01.09.2007


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