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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Auch die "Meistersinger von Nürnberg" gehörten zum Repertoire des Bayreuther Neuanfangs im Jahre 1951 - eine mutige Entscheidung, war doch gerade diese Oper im "Dritten Reich" zum Inbegriff Pathos geladener Deutschtümelei geworden: Eine Reihe historischer Meister-Figuren erscheinen in idealisierter Gestalt und unhistorischer Gleichzeitigkeit im frühneuzeitlichen Nürnberg versammelt, an ihrer Spitze der überlegen humorvolle und weise Hans Sachs. Einer der Meister hat seine Tochter Eva dem Gewinner des nahenden Meistersang-Wettbewerbs zur Frau versprochen; ein fremder Ritter namens Walther von Stolzing will Eva unbedingt gewinnen, beherrscht aber das komplizierte Regelwerk der Meistersingerei nicht. Hans Sachs, der selbst die besten Aussichten auf den Sieg hätte, besitzt genügend Weitblick und Größe, die Qualitäten Stolzings und seiner Sangeskunst zu erkennen und vor seinen Zunftkollegen zu verteidigen. Nachdem sich Sixtus Beckmesser, die Verkörperung allen engstirnigen Nörgler- und Besserwissertums, beim Versuch, den Sieg zu erschleichen, zur Erheiterung aller eine schreckliche Blamage einhandelt, trägt Stolzing einen glanzvollen Sieg davon. Mit Sachsens Ruhmesrede auf das deutsche Meisterwesen endet das monumentale, in seiner Anlage tatsächlich äußerst unterhaltsame und kurzweilige Werk.
1951 debütierte Herbert von Karajan mit den "Meistersingern" in Bayreuth. Er brachte Otto Edelmann mit, den er selbst auf die gewaltige Partie des Hans Sachs vorbereitet hatte. Im Folgejahr gelangten die "Meistersinger" zurück in Hans Knappertsbuschs routinierte Dirigentenhände (Karajan erschien 1952 noch einmal in einer anderen Produktion auf dem Festspielhügel, um dann nie zurückzukehren). Otto Edelmann blieb der Interpret des Sachs', und er machte seine Sache in beiden Saisons recht gut, aber nicht wirklich überragend. Hans Hopf war der Stolzing beider Jahre, und er bot 1951 wie 1952 metallisch-unermüdlichen Heldengesang ohne jegliche Wärme und sympathische Ausstrahlung. Elisabeth Schwarzkopf, die 1951 das Evchen gegeben hatte, wurde 1952 durch die bezaubernd jugendliche und frische Lisa della Casa ersetzt, mit der zusammen auch Ira Malaniuk im ersten Akt eine gelöstere Magdalene zu sein vermag. Insgesamt ist der vorliegende Mitschnitt von 1952 gegenüber demjenigen vom Vorjahr (kürzlich bei Naxos erschienen) in punkto Sprachverständlichkeit aufnahmetechnisch weitaus besser gelungen; inwieweit das mit der Führung des Orchesters zusammenhängt, lässt sich nicht ermitteln. Allerdings überzeugt Knappertsbusch schon in der Ouvertüre durch stringentere, fließendere Interpretation und durch größere Ruhe bei der Anlage langer Steigerungspassagen. Beim Vergleich mit dem selbstsicheren Heißsporn Karajan gibt der Rezensent der Erfahrenheit des älteren Kollegen bei weitem den Vorzug.

Michael Wersin, 01.09.2007


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