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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Chine/Chamber Music

Louis Sclavis

Label Bleu/sunnymoon 6656/57
(88 Min., 1987, 1989) 2 CDs

Die Neuauflagen zweier preisgekrönter und zu ihrer Zeit Aufsehen erregender Alben des eigenwilligen Klarinettisten und Saxofonisten Louis Sclavis bringen sich als Doppelpack in Erinnerung. Der Titel des älteren Albums "Chine" ist nicht etwa programmatisch zu verstehen im Sinne einer musikalischen Annäherung an das Reich der Mitte, das einzige Stück, das den Gestus einer asiatischen Zeremonialmusik zeigt ("Chanson pour Luis de Funes"), ist dann auch augenzwinkernd einem wenig kontemplativ wirkenden Schauspieler gewidmet. Mit seinen langjährigen Mitstreitern François Raulin (Sax), Bruno Chevillon (Bass), Christian Ville (Schlagzeug) und Dominique Pifarely (Violine) eröffnet uns der Franzose einen ganz eigenen Klangkosmos, der durch das Ausspinnen kleiner melodischer und rhythmischer Strukturen entsteht. Anleihen bei Minimalismus, punktueller Musik und musique concrète sind nicht zu überhören, doch immer wieder verschaffen sich groovige Passagen, Jazzrock-Elemente und auch poppige Klänge ("Les Chaemeaux") ihr Recht und sorgen dafür, dass das Blut den Bauch nicht in Richtung Kopf verlässt. Zudem überraschen uns die Musiker mit einem sperrigen "Tango", der dem herben Sound der Bassklarinette besonders entgegenkommt und an das legendäre "New Tango Quintet" Astor Piazzollas denken lässt.
Das zwei Jahre später entstandene Album "Chamber Music" schreibt sich das auf den Titel, was "Chine" eigentlich auch schon ist, und hier wird die faszinierende Klangfarbenpalette noch um Posaune (Yves Robert), Tuba (der unglaubliche Michel Godard!) und Gitarre (Philippe Deschepper) erweitert. Die große Stärke des Komponisten und Arrangeurs Louis Sclavis, musikalische Welten durch Klangfarben entstehen zu lassen, kommt hier noch mehr zum Tragen. Mittelalterliche Bordun-Bässe im Dialog mit verzerrter E-Gitarre ("Ottomar") - eine schier unerschöpfliche Ideenflut fesselt den Zuhörer in jeder Sekunde. Und gut zuhören muss man bei dieser Musik, die zwar durch ihre Vielgestaltigkeit oft unruhig wirkt, jedoch nie zu einem Flickwerk von Beliebigkeiten abgleitet, sondern den Zuhörer bereichert entlässt.

Tilman Stamer, 01.09.2007


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