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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Queen Of The Organ. Memorial Album

Shirley Scott

Prestige/Zyx PRCD-11027-2
(74 Min., 5/1958 - 3/1964) 1 CD

Sie hat Schlagzeilen gemacht, aus anderen Gründen als man der großen Musikerin gewünscht hätte. 1995 hatte Shirley Scott begonnen, das inzwischen verbotene Diät-Präparat “fen-phen” zu sich zu nehmen. Als sie davon schwer krank wurde, verklagte die jahrelang ans Bett gefesselte Frau ihren Arzt und den Hersteller auf 8 Millionen Dollar - und gewann im Jahre 2000 den Prozess. Ihr Leben hat es leider nicht gerettet.
Etwas spät, über ein Jahr nach ihrem Tod, und doch rechtzeitig, ein Jahr vor ihrem 70. Geburtstag, ehrt die Marke Prestige Shirley Scott mit einem Gedenkalbum. Der Titel "Queen Of The Organ" (eigentlich schon an ein Impulse-Album Scotts vergeben) ist keine Übertreibung. Die Orgel gilt als Königin der Instrumente. Und im Jazz konnte Shirley Scott, zumindest vor dem Durchbruch Barbara Dennerleins, als Königin der Königin gelten. Doch Shirley Scott war weit mehr: Wenn das so eindeutig von Männern dominierte Reich des Soul Jazz der 60er Jahre auch eine Queen hatte, dann Shirley Scott. Und sucht man nach denjenigen, die schon in den 50er Jahren die Hammondorgel im Jazz durchsetzten, also jene Pionierarbeit leisteten, welche die unglaubliche Erfolgsstory der Orgel in den 60er Jahren erst ermöglichte, dann muss neben dem viel zitierten Jimmy Scott gerade auch Shirley Scott genannt werden. Das Album bietet eine Blütenlese ihrer Aufnahmen der Jahre 1958 bis 1964, also ihrer Hoch-Zeit.
Wie wir nun in der chronologischen Auswahl nachvollziehen können, unterschied sich die zierliche Frau deutlich von ihren männlichen Kollegen wie Jimmy Smith oder Jack McDuff.
Weniger laut und schrill, wie das Klischee vom Organisten fordert, war ihr Spiel, obwohl sie auch dies "drauf hatte" und den Hörer mit jeder Menge Power und Überschwang genussvoll überrumpeln konnte ("Caravan"). Doch eigentlich lieben wir sie für ihre subtilen, feinen Nuancen. Ja, sie war eine hervorragende Blues-Interpretin. So sind über die Hälfte der ausgewählten Stücke Blues, inklusive zweier Stücke als Begleiterin von Vokalisten. Das verwischt fast einen wichtigen Unterschied: Während bei ihren Kollegen ihr Hauptgewicht vor allem auf Blues lag, legte Scott immer Wert auf ein besonders breit gefächertes Repertoire, spielte gerne Pop-Songs, seltene Standards ("The Moon Of Manakoora") und erstklassige Bop-Stücke von Jazz-Kollegen (hier Sonny Rollins, Horace Silver, Miles Davis und Benny Golson). Doch auch sie selbst verfügte über eine ansprechende Feder, was aber hier leider nur mit dem Blues "Fourmost" dokumentiert wird, der sie an der Seite der Tenoristen Eddie "Lockjaw" Davis, Coleman Hawkins, Buddy Tate und Arnett Cobb zeigt.
Hier sind wir bei der vielleicht eindrucksvollsten Facette ihres Schaffens: Shirley Scott war eine ideale Partnerin großer Tenoristen: Zwei Stücke zeigen sie an der Seite ihres Gatten Stanley Turrentine, eines an der Seite von Oliver Nelson. Der Löwenanteil gebührt freilich Eddie "Lockjaw" Davis, dem Basie-Tenoristen mit der wunderbar kraftstrotzenden Spielweise, dem auch das große Verdienst zukommt, die Scott entdeckt zu haben und ihr "greatest teacher" gewesen zu sein.
Scotts ursprüngliches und ihr letztes Instrument war das Klavier. Sie hat sich einst übrigens nur auf Druck ihrer Manager für die Orgel entschieden, ein Instrument, auf dem sie freilich mehr beeindruckte. Scott hat für Prestige auch eine Reihe Klavier-Aufnahmen vorgelegt. Da erstaunt es schon, dass dieser Aspekt bei der Zusammenstellung gar keine Rolle spielte. Trotz des Fehlens eines Klavier-Beispiels, der Vernachlässigung des kompositorischen Aspekts und vielleicht auch einer gewissen Blueslastigkeit, stellt das Album eine hervorragende Einführung in das Schaffen der wegweisenden Künstlerin dar.

Marcus A. Woelfle, 01.09.2007


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