Der Anspruch der Dreyfus-Serie "Jazz Reference", das Beste der Besten auf jeweils einem Album zu vereinigen, konnte auf einigen Alben nahezu mustergültig verwirklicht werden. Im Falle von Ella Fitzgerald ist dies freilich nicht möglich: Ihre wichtigsten Aufnahmen entstanden nach 1950 - eine Grenze, die Dreyfus aus rechtlichen Gründen nicht überschreiten durfte. Seltsamerweise lässt er bei seiner Auswahl die dreißiger Jahre und somit die Aufnahmen, die Ella Fitzgerald mit Chick Webb machte und die ihren Ruhm begründeten, ganz außer Acht.
Leider hatte Ella Fitzgerald in den vierziger Jahren bei ihrer Plattenfirma selten die Möglichkeit, ihr Jazzpotential voll auszuschöpfen. Darunter leidet auch diese Auswahl: Wir hören meist eine makellose "First Lady Of Song", die von Streichorchestern, Gesangsgruppen und routinierten, aber nicht besonders profilierten Studiobands begleitet wird, seltener die große Jazzkünstlerin unter ihresgleichen. Immerhin: Es waren die Jahre, in denen sie die Königin des weiblichen Scat-Gesangs wurde: "Flying Home", "How High The Moon" und "Lady Be Good" haben nichts von der zündenden Kraft verloren und sind geradezu klassische Muster für Bop-Vocals, die allein schon den Kauf des Albums rechtfertigen.
Als Gattin Ray Browns kam Ella Fitzgerald damals mit Bebop mehr als nur in Berührung. Es gibt viel Live-Material aus der Zeit, das jene moderne Seite Fitzgeralds zeigt, die offiziell nicht dokumentiert wurde. Es ist schade, dass man - abgesehen von zwei Live-Aufnahmen mit Dizzy Gillespie - nicht darauf zurückgegriffen hat, zumal noch gute zwanzig Minuten Spielzeit dafür zur Verfügung gestanden hätten. Andererseits enthält das Album manche Überraschung aus einer kaum bekannten Phase ihrer Laufbahn, etwa zwei Aufnahmen mit dem Neutöner George Russell. Zwei Duette mit Louis Armstrong nehmen die Partnerschaft vorweg, die erst ein Jahrzehnt später legendäre Früchte tragen sollte.

Marcus A. Woelfle, 01.09.2007

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