Arte nova/BMG 74321 93121-2
(65 Min., 11/2001, 12/2001) 1 CD
Geheimnisvoller Nikolai Medtner: Obwohl von hoher struktureller Qualität und beträchtlicher klanglicher Attraktivität, führt seine Klaviermusik bis heute ein Schattendasein. Die russische Pianistin Irina Ossipova widmet sich mit viel Geschick und interpretatorischer wie technischer Souveränität der "Vergessenen Weisen" opp. 38 und 39, die Medtner 1919/20, noch vor seinem Gang ins Exil, bei einem längeren Landaufenthalt auf der Basis von Aufzeichnungen in seinen musikalischen Notizbüchern komponierte. Die Klavierstücke der beiden Zyklen vermitteln auf der Basis ganz unterschiedlicher Formen (Tänze, Sonaten, Canzonen) einen repräsentativen Eindruck von Medtners Kunst: Komplexe polyphone Verarbeitungstechniken und höchst differenzierte rhythmische Verläufe entfalten ihre oftmals aufwühlende Wirkung innerhalb eines anspruchsvollen, oftmals überaus virtuosen Klaviersatzes typisch nachromantischer Prägung; Medtners eigenes interpretatorisches Können - er war, wie sein Zeitgenosse Rachmaninow, ein exzeptionell begabter Klaviervirtuose - wird hier ebenso deutlich wie sein glühender, überbordender musikalischer Aussagewillen. Wer Rachmaninows Musik zu süßlich findet, der sollte es mit Medtner versuchen: Sein Tonfall ist im Vergleich tendenziell rauer, seine Melodik oft weniger gefällig. Und ein weiteres Lob sei Frau Ossipova ausgesprochen: Sie hat die nötige Energie und das unverzichtbare Durchhaltevermögen, um Medtners ausladende Visionen trefflich zum Erklingen zu bringen.
Michael Wersin, 06.12.2003
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