EMI 5 56425 2
(70 Min., 9/1996) 1 CD
Ein Bruckner wie aus Granit. Wer mit Simon Rattle in erster Linie Frische, Jugendlichkeit und Modernität verbindet, wird sich bei dieser Aufnahme, gelinde gesagt, wundern. Nicht nur, dass Rattle mit knapp einundsiebzig Minuten den Längenrekord für Bruckners Siebente Sinfonie schlägt, er legt auch eine derart gemessene (man könnte auch sagen: behäbige) Interpretationsweise an den Tag, dass er dem schönen Werk beinahe alles Leben austreibt.
Dabei ist, oberflächlich gesehen, das meiste völlig in Ordnung: Die Temporelationen sind in sich stimmig, an formaler Übersicht mangelt es Rattle keineswegs, die Klangkultur des Orchesters ist, besonders in den Pianissimo-Passagen, vorbildlich, und die hervorragende Akustik der Symphony Hall in Birmingham dürfte mittlerweile bekannt sein.
Woran es mangelt, sind Wandlungen des Ausdrucks. Rattle sieht die Sinfonie offenbar einzig als tönendes Abbild einer Kathedrale, und dieser Sichtweise wird alles untergeordnet, die grimmigen Tanzweisen des Scherzos genauso wie die freudige Ungeduld des Finales. Und gerade dem Adagio mangelt es, trotz weihevollen Ausmusizierens, entschieden an der menschlichen Dimension – schließlich ist der Satz vor allem eine tiefempfundene, gelegentlich schmerzerfüllte Trauermusik. Derart auf den architektonischen Nenner reduziert, verliert Bruckners Musik ihre Essenz und klingt genauso langweilig, wie seine bis heute zahlreichen Verächter es gerne hätten.
Thomas Schulz, 31.01.1998
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